Sondermüllverbrennung
19. September 2012Pestizide, Lösungsmittel, Lacke, Säuren, Batterien, infektiöse Krankenhausabfälle, Tierkadaver und Medikamente - alles landet in den gefräßigen Öfen der Sondermüllverbrennungsanlage SAVA. Der Betreiber hat sich freiwillig verpflichtet, die halben gesetzlichen Grenzwerte der Bundesimmissionsschutzverordnung einzuhalten. Die Emissionen bleiben leztendlich noch weit darunter.
Wie das geht? So gut wie alle gefährlichen Abfälle lassen sich durch chemische Verfahren sicher entfernen. Denn die meisten Stoffe gehören entweder in die Kategorie organisch oder anorganisch.
Hitze knackt organische Verbindungen
Zu den organischen Verbindungen gehören Öle, Pestizide, Lösungsmittel oder Lacke. Besonders stabil und schwer zu knacken sind dabei Hexachlorbenzol, Fluorierte Kohlenwasserstoffe (FCKWs) oder polychlorierte Biphenyle (PCB). Erhitzt man sie aber länger als zwei Sekunden auf über 1100 Grad Celsius, dann geben auch sie nach, erklärt Chemiker Martin Kemmler, der die Sondermüllverbrennungsanlage in Brunsbüttel leitet. "Solche Moleküle fliegen bei dieser Temperatur komplett auseinander."
Damit alle Gefahrstoffe gründlich und heiß verbrannt werden, kommen sie nicht einfach in eine Brennkammer, wie sie für Hausmüllverbrennungsanlagen üblich ist. Sondermüllverbrennungsanlagen arbeiten mit einem riesigen Drehrohr, in dem der Müll gut durchgemischt und mit Luftsauerstoff angereichert wird. So erreicht man besonders hohe Temperaturen.
Zudem gibt es noch eine Nachbrennkammer, die eine vollständige Verbrennung sicherstellt. Das dabei entstehende Rauchgas enthält fast keine giftigen organischen Verbindungen mehr, wie beispielsweise Dioxine und Furane. Damit solche Gifte auch nicht bei der späteren Abkühlung des Rauchgases entstehen, nutzen die Techniker einen Trick: Sie kühlen das Rauchgas in einer sogenannten Quench schlagartig auf 70 bis 80 Grad Celsius ab.
Wäscher, Filter und Katalysatoren gegen anorganische Gifte
Nachdem die organischen Verbindungen geknackt sind, werden die anorganischen Stoffe wie Fluor, Phosphor, Brom und Chlor aus dem Rauchgas entfernt. Das geschieht durch eine sogenannte Nasswäsche. Dabei werden aus den Ionen verschiedenartige anorganische Säuren entfernt und mit Kalk neutralisiert. Es entsteht eine flüssige Suspension, die in einen Sprühverdampfer kommt. Das Wasser verdampft - übrig bleiben Kalziumfluorid, Kalziumphosphat, Kalziumbromid und Kalziumchlorid. Diese Salze werden in einem Elektrofilter abgeschieden und verlassen die Anlage als harmloses, trockenes Pulver.
Als nächstes gehen die Rauchgase durch eine alkalische Wäsche aus Kalziumhydroxid - sogenannte Kalkmilch. Die dient zur Entfernung des Schwefeldioxids. "Dieses SO2 wird mit Sauerstoff zu SO3 oxidiert und reagiert sofort zu Schwefelsäure", erklärt Kemmler. "Diese Schwefelsäure wird dann mit den Kalzium 2+ Ionen in der Kalkmilch gefällt. Dabei kommt Kalziumsulfat heraus, das ist Gips."
Nach diesen Reinigungsprozessen sind noch geringste Spuren organischer und anorganischer Stoffe im Rauchgas enthalten, aber auch noch etwas Quecksilber. All das wird nun noch mit Aktivkohlefiltern herausgeholt.
Danach bleiben nur noch Stickoxide (NOx) übrig (s. Infografik) . Diese werden durch einen Katalysator unschädlich gemacht, der ständig mit Ammoniak benetzt wird. Der Katalysator führt dazu, das die Stickoxide und das Ammoniak miteinander reagieren. Am Ende bleibt reiner Stickstoff übrig - also ein harmloses Gas, das etwa 70 Prozent unserer Atemluft ausmacht.
Aus all den Giftstoffen und Verbindungen bleibt am Ende fast reines, ungiftiges Kohlendioxid übrig, außerdem etwas Wasserdampf, Stickstoff und einige feste Stoffe: Metallreste werden an Schrotthändler verkauft - die Schlacke aus der Verbrennung kommt in sichere oberirdische Deponien. Die Salze aus der Rauchgaswäsche und der Gips aus dem SO2-Wäscher werden unterirdisch endgelagert.
Gute Vorbereitung ist alles
Allerdings erfordert der Betrieb einer so spezialisierten Anlage einigen Aufwand, insbesondere beim Transport, der Behandlung und Lagerung des Sondermülls. So dürfen die gefährlichsten Stoffe wie Gifte oder infektiöse Krankenhausabfälle nicht einfach in die Brennkammer gekippt werden. Sie müssen in verschlossenen Plastikbehältern über einen speziellen Aufzug in den Ofen eingebracht werden, damit nichts aber auch gar nichts giftiges in die Umwelt gelangt.
Die Fässer werden auch nicht einfach der Reihe nach in den Ofen gekippt, sondern systematisch verteilt, so dass zum Beispiel die Schwefeldioxid-Emissionen konstant gehalten werden, erklärt Markus Gleis, der für das Bundesumweltamt den Bau der Anlage begleitet und gefördert hat. "Deswegen ist es nicht trivial, mit solchen Abfällen umzugehen. Es setzt sowohl ein Können bei den Betriebsmannschaften voraus, als auch die technischen Voraussetzungen in der Anlage – um diffuse Emissionen sicher zu verhindern", betont der Umweltschützer.
Um sicherzustellen, dass nur als Abfall hineingeht, was hinein darf und auch nur Emissionen herauskommen, die innerhalb der Grenzwerte sind, betreibt die SAVA ein eigenes Labor. Diese untersucht alle Anlieferungen, erklärt Laborleiter Hans Keulerz. "Wir haben ein Röntgenfluoreszensgerät, das kann innerhalb von zehn Minuten fast das ganze Periodensystem abdecken." Und im Labor wird das tägliche Verbrennungsmenü zusammengestellt: Eine genaue Auflistung der verschiedenen Abfallarten nach Fest- und Flüssigabfällen, Brennwert und Schadstoffmenge. So wird sichergestellt, dass die strengen Emissionswerte ständig eingehalten werden und die Temperatur immer im richtigen Bereich bleibt. Denn die Anlage läuft rund um die Uhr und das monatelang ununterbrochen.