Wohin steuert die Welt mit Bush?
9. November 2004Die Präsidentenwahl in den USA hat erneut eines deutlich gemacht: Die Nation ist gespalten. Die Kluft zwischen dem Lager von Präsident George W. Bush und dem seines unterlegenen demokratischen Kontrahenten John Kerry ist tief. Das haben auch politische Beobachter und Amerika-Experten nach dem Wahlsieg von George W. Bush betont.
"Das Land ist gespalten, weil es zwei sehr, sehr verschiedene Meinungen und Visionen unserer momentanen Situation und von der Zukunft gibt", sagte Michael Blumenthal am Mittwoch (3.11.) im Gespräch mit DW-WORLD. Der 78-Jährige ist Direktor des Jüdischen Museums Berlin, war in den 70er-Jahren Finanzminister unter Präsident Carter und zuvor Berater von Präsident Kennedy. "Es gab von der einen Seite Kritik, dass unser guter Ruf bei unseren Partnern angeschlagen ist durch seine (Bushs) Politik. Auf der anderen Seite gibt es das starke Gefühl, dass wir uns in einer Art von Krieg befinden und dass man in so einer Zeit den Oberbefehlshaber nicht wechseln darf", so Blumenthal.
Bush als Symbol
Die wichtigste Aufgabe des alten und neuen Präsidenten sei es nun, dieses tief gespaltene Land zu vereinen und die Wunden, die aufgerissen worden seien, zu heilen, sagte Blumenthal. Er fügte hinzu: "Ich hoffe, dass der Präsident aus den Fehlern seiner ersten Amtszeit lernt."
Die Niederlage von John Kerry erklärt Blumenthal unter anderem damit, dass es in der Wahl auch stark um Grundwerte gegangen sei, die für viele Amerikaner vor allem im Innern des Landes von großer Bedeutung seien: "Homosexuellen-Ehe, Abtreibung, Religion im amerikanischen Gesellschaftsleben, Familie, Patriotismus - all das sind Fragen, die für viele Amerikaner sehr wichtig sind. Für diese Menschen ist George Bush fast ein Symbol für das, was sie für richtig befinden", so Blumenthal.
50 Millionen Gegenstimmen
Er hoffe, dass Bush nicht vergesse, dass weit über 50 Millionen Menschen gegen ihn gestimmt haben und dass der Präsident diesen nun die Hand reicht. Auch sei es nötig, Partner und Alliierte zu suchen und die Meinung anderer Staaten zur Geltung kommen zu lassen, um Amerika wieder als führendes Land in der Welt zu positionieren.
Blumenthal hielt sich bedeckt, ob er an die Verwirklichung seiner Hoffnungen auch glaubt. Deutlichere Worte fand dagegen der Amerika-Experte Knud Krakau vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin. Er malte ein düsteres Szenario und sagte: "Ich habe ein ungutes Gefühl für die nächsten Jahre - im Hinblick auf die inner-amerikanische Lage ebenso wie für die transatlantischen Beziehungen."
Bomben auf Iran?
Krakau (70) zeigt sich besorgt, weil "Bush eine Unbedingtheit an den Tag legt, mit der er Positionen auf Biegen und Brechen durchzusetzen versucht und dies nun auch kann". Dabei seien Bushs sozial- und gesellschaftspolitische Vorhaben allenfalls formal mehrheitsfähig. Keinesfalls jedoch schaffe er damit Konsens, solange es so massive Opposition gegen seine Politik gebe, wie diese Wahl erneut gezeigt habe. "Das schafft keine Befriedung im Land."
"Ein ungutes Gefühl habe ich auch bei den außenpolitischen Beziehungen", sagte der Historiker Krakau weiter. Bush sei kein Mann der Rücksicht nehme und vor brachialen Methoden nicht zurück schrecke. "Das ist das Furcht erregende an dem Mann, dass er keine Zweifel kennt und selber offensichtliche keinen hat." Mit Blick auf das Atomprogramm im Iran hält Krakau einen Militärschlag für absehbar: "Letztlich halte ich es für eine realistische Möglichkeit, dass wiederholt wird, was Israel vor vielen Jahren bei Bagdad gemacht hat, also eine gezielte Bombardierung der nuklearen Produktionsstätten." Dies werde nicht heute und nicht morgen passieren, "aber wenn die Verhandlungen mit dem Iran ins Leere laufen und dies als Entschlossenheit des Landes ausgelegt wird, Bomben zu bauen, sehe ich das als reale Gefahr."