Wolf Biermann und sein wildbewegtes Leben
In der DDR war Wolf Biermann eine Gallionsfigur der Aufmüpfigen. Ausgebürgert und heimatlos musste er in der BRD nochmal von vorne anfangen.
Der ewige Mahner
Die Schatten seiner biografischen Lebensgeschichte haben sein Denken und Handeln stark geprägt: der Mutter zuliebe, eine überzeugte Kommunistin, geht Wolf Biermann mit 16 weg aus seiner Heimatstadt Hamburg - in ein Schulinternat in der DDR. Er legt sich schnell mit der Obrigkeit an, das behält er bei. "Ich bin immer ein bisschen zu weit gegangen", sagt er später von sich selbst.
"Schnauze-halten-Müssen"
Regimegegner in der DDR müssen mit Berufsverbot, Bespitzelung und Hausarrest rechnen. Der Kernphysiker Robert Havemann (hier 1972 in seiner Ostberliner Wohnung) gehört zu den führenden Köpfen der Protestbewegung. Die Stasi überwacht jeden seiner Schritte, Interviews können nur unter konspirativen Bedingungen stattfinden. Biermann gehört zur Familie, mit Tochter Sibylle Havemann hat er einen Sohn.
Genossen und Künstlerfreunde
Die Situation der Oppositionellen in der DDR spitzt sich Mitte der 1970er zu. Immer mehr Künstler stellen Ausreiseanträge, die meisten werden abgelehnt. Die Stasi verhaftet die Liedermacher Christian Kunert (li) und Gerulf Pannach (2.v.li) und auch den Schriftsteller Jürgen Fuchs (re). Im August 1977 werden die Freunde von Biermann aus dem Gefängnis entlassen und in den Westen abgeschoben.
Legendäres Kölner Konzert
In der ausverkauften Kölner Sporthalle gibt der Ost-Berliner Liedermacher am 13. November 1976 sein erstes Konzert auf einer bundesdeutschen Bühne. Nur 1965 ist er mal "drüben" engagiert gewesen. In der DDR hat er seit Jahren Auftrittsverbot: seine kritischen Töne gegen das "Herrschaftssystem der Politbürokraten" ist der SED-Führung ein Dorn im Auge. In Köln wird er von den Fans hymnisch gefeiert.
Soldarisches Netzwerk
Nach seiner Ausbürgerung durch die DDR-Behörden im November 1976 ist Wolf Biermann heimat- und staatenlos. Der befreundete Schriftsteller Günter Wallraff nimmt ihn erstmal in seiner Kölner Wohnung auf und gibt ihm Asyl. Alles ist auf einmal neu, alles in Frage gestellt. Draußen vor der Tür warten nicht mehr die Stasispitzel, sondern Reporter der "Bild"-Zeitung. Eine harte Zeit für Biermann.
Prominente Sympathisanten
DDR-Schauspieler wie Armin Mueller-Stahl (Foto von 1982) und Manfred Krug, die in der DDR ihre Privilegien genossen, unterschreiben im November 1976 eine Petition an das SED-Politbüro: "Wir protestieren gegen die Ausbürgerung und bitten darum, die beschlossene Maßnahme zu überdenken." Honeckers Antwort: Berufs- und Auftrittsverbot für die Unterzeichner. Die meisten gehen daraufhin in den Westen.
Die Stasi überwacht alles
Freunde und Bekannte, Schriftsteller, Journalisten und Künstler-Kollegen - jeder, der mit Biermann Kontakt hat, wird in der DDR von der Stasi überwacht. Die Künstlerin Gabriele Stötzer (2.v.l., hier auf einem Stasi-Foto) wird "wegen Staatsverleumdung" zu einem Jahr Haft verurteilt, weil sie Unterschriften gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann gesammelt hat.
Der Politbarde
Auch im Westen mischt sich Biermann gern in die politischen Verhältnisse ein. Als Künstler nimmt er kein Blatt vor den Mund. Aus Protest gegen die Abschiebung eines türkischen Regimegegners sperrt er sich 1983 mit den prominenten Grünen Petra Kelly und Lukas Beckmann (Bild: Mitte) in einen Käfig vor dem Bonner Kanzleramt ein. Die Polizei versucht die Demo zu räumen, Biermann wird verhaftet.
Wildes Familienleben
Eva-Maria Hagen gehört zu den populärsten Schauspielerinnen und Filmstars der DDR. Als sie 1965 den Politbarden Wolf Biermann kennen lernt, bricht ihre Karriere abrupt ab, Stasi-Überwachung und Auftrittsverbote sind die Folge. 1977 entschließt sie sich zur Flucht und folgt ihrem Lebensgefährten in den Westen - zusammen mit Tochter Nina Hagen (re) - hier bei einem "Familientreffen" 1988.
Jüdische Herzenssache
Seine jüdischen Wurzeln thematisiert Biermann anfangs nur selten. Sein Vater - Jude, Kommunist und Werftarbeiter - wurde im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Nur in seinen Liedern lässt Wolf Biermann das anklingen. Mit dem jüdischen Theaterregisseur George Tabori, dem er hier 2004 zu seinem 90. Geburtstag im Berliner Ensemble gratuliert, verband ihn eine innige Herzensfreundschaft.
Unverhoffter Ehrenbürger
Es ist ihm, nach eigener Aussage, eher fremd, aber als der ehemalige DDR-Regimekritiker Wolf Biermann 2007 die Ehrenbürgerwürde der wiedervereinigten Stadt Berlin verliehen bekommt, kann er die Rührung darüber nicht verbergen. Neben ihm der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. 2008 wird Biermann noch der Ehrendoktor der Berliner Humboldt-Universität verliehen.
Internationale Solidarität
Biermann setzt sich bis heute für verfolgte und unterdrückte Regimekritiker aus aller Welt ein. Mit dem Exilautor Liao Yiwu, einem der bekanntesten Dichter Chinas, der viele Jahre im Gefängnis saß, geht Biermann 2010/11 auf gemeinsame Konzertreise. Vergangenen Monat solidarisiert er sich mit der inhaftierten belarussischen Oppositionellen Maria Kolesnikowa und gibt seinen Ovid-Preis an sie weiter.
Troubadur deutsch-deutscher Zerrissenheit
Ein historischer Moment: In der Gedenkstunde zu "25 Jahre Mauerfall" tritt Wolf Biermann am 07.11.2014 im Deutschen Bundestag auf. Mit wenigen Sätzen nutzt er dies zu einer persönlichen Abrechnung: Endlich könne er "den werten Genossen" von der Linkspartei die Leviten lesen - vor laufenden Fernsehkameras. Bundestagspräsident Lammert muss ihn zur Ordnung rufen, er sei nur zum Singen eingeladen.
Drachentöter mit Gitarrenschwert
Das Lied, das Biermann im Parlament vorträgt, hatte sich Norbert Lammert (CDU) persönlich gewünscht. Es gehört zu den bekanntesten Stücken Biermanns: "Du lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit..." Der Ordnungsruf des Bundestagspräsidenten hält ihn nicht von seiner bissigen Polemik ("Die Reste der Drachenbrut...") ab. Von niemandem lasse er sich nochmal das Wort verbieten.