Worum es im MH17-Strafprozess geht
In Amsterdam beginnt der Prozess im Fall MH17, der Passagiermaschine der Malaysia Airlines, die 2014 über dem Osten der Ukraine abgeschossen wurde. Die Angeklagten glänzen durch Abwesenheit. Geschichte einer Tragödie.
Rekonstruktion aus Wrackteilen
Am 17. Juli 2014 stürzte die Maschine mit der Flugnummer MH17 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über dem Donbass ab. Die Wrackteile wurden an einem Gerüst in Form einer Boeing 777-200 befestigt. So konnten die Ermittler den Bug des Flugzeugs und auch den Hergang der Katastrophe rekonstruieren, darunter den Einschlagwinkel der Rakete und damit auch die Zerstörung des Flugzeugs.
Die "Buk"-Rakete und ihre Spuren
Nach der Katastrophe bildeten die fünf am meisten betroffenen Länder - Australien, Belgien, die Niederlande, Malaysia und die Ukraine - eine gemeinsame Ermittlergruppe (Joint Investigation Team, JIT). Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass die Boeing-777 von einer Flugabwehrrakete vom sowjetischen Typ "Buk" getroffen wurde.
Die Spur führt in den Osten de Ukraine
Die Ermittler behaupten, sie hätten die Route des "Buk"-Raketensystems in den Osten der Ukraine und zurück nach Russland festgestellt. Es sei von Russland in das von den Separatisten der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" Gebiet im Osten der Ukraine gebracht und dort gestartet worden. In den Leichen von Besatzungsmitgliedern sowie im Cockpit wurden Splitter der Rakete gefunden.
Russland erkennt Ermittlungen nicht an
Moskau besteht darauf, dass kein russisches "Buk"-System die Grenze zur Ukraine passiert habe. Der Hersteller des "Buk"-Systems, der Konzern Almas-Antei, verweist auf eigene Untersuchungen. Demnach sei die Rakete von einem Ort abgefeuert worden, der von Kiew kontrolliert werde. Präsident Wladimir Putin will die Ergebnisse nur dann anerkennen, wenn er vollen Zugang zu den Ermittlungen erhält.
Russischer TV-Kanal gesteht Falschmeldung
Im November 2014 präsentierte das russische Staatsfernsehen "sensationelle" Aufnahmen eines Jagdflugzeugs in der Nähe der MH17-Maschine. Doch laut Radar hatte sich dort kein Flugzeug befunden, das die Boeing hätte abschießen können. In einem Interview für das US-Magazin "New Yorker" gab Ende 2019 der Direktor des russischen TV-Kanals, Konstantin Ernst, zu, sein Sender habe "einen Fehler gemacht".
Prozess vor einem niederländischen Gericht
Im Sommer 2019 teilten die internationalen Ermittler mit, die Untersuchungen stünden vor dem Abschluss und würden an das Gericht in Den Haag übergeben. Die niederländischen Behörden entschieden, den Prozess nicht nach internationalem, sondern nationalem Recht abzuhalten. Von den 298 getöteten MH17-Passagieren waren die meisten niederländische Staatsbürger.
Was weiß Putins Ex-Berater Wladislaw Surkow?
Auch der vor kurzem zurückgetretene Berater des russischen Präsidenten, Wladislaw Surkow, beschäftigt die Ermittler. Sie veröffentlichten im Jahr 2019 zahlreiche abgefangene Telefonate, die sie im Zusammenhang mit dem MH17-Abschuss für wichtig halten. Als verdächtig gilt auch Wladimir Zemach, Ex-Kommandeur einer Flugabwehr-Einheit im ostukrainischen Snischne. Kiew fahndet nach ihm.
Vier Hauptverdächtige
Die internationalen Ermittler haben bisher vier Hauptverdächtige benannt. Drei davon sind Russen: Igor Girkin, einstiger "Verteidigungsminister" der selbsternannten "Volksrepublik Donezk", Generalmajor Sergej Dubinskyj (Spitzname: der "Düstere") und Oberst Oleg Pulatow. Der vierte Verdächtige ist der Ukrainer Leonid Chartschenko ("Maulwurf"). Sie bestreiten jegliche Schuld.
Schicksalsort Justizkomplex Schiphol
Das Verfahren im Fall MH17 leiten die Richter des zuständigen Gerichts in Den Haag. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses finden die Anhörungen selbst im Justizkomplex von Schiphol statt, ganz in der Nähe des Flughafens, von dem aus die Maschine im Sommer 2014 nach Kuala Lumpur gestartet war. Die Anhörungen aus dem Gerichtssaal werden live übertragen - auf Niederländisch und Englisch.
Angehörige der Opfer verlangen Gerechtigkeit
Für die Familien der Toten ist im Gerichtssaal und auch außerhalb Platz reserviert worden, von wo sie den Prozess aus verfolgen können. "Ich werde zu allen Verhandlungen gehen. Ich möchte wissen, wer die Schuld trägt", sagte Piet Ploeg vorab der DW. Er leitet die Stiftung "Flugzeugkatastrophe MH17", der sich fast alle Angehörigen der Opfer angeschlossen haben. Er selbst hat seinen Bruder verloren.