Wrackplünderer im Südchinesischen Meer
1. Juni 2017Die Schifffahrtsbehörden von Indonesien und Malaysia haben vor kurzem in einer gemeinsamen Aktion ein Baggerschiff unter chinesischer Flagge beschlagnahmt und die Mannschaft verhaftet. Die Crew steht im Verdacht, zahlreiche Wracks gesunkener Schiffe aus dem 2. Weltkrieg geplündert zu haben, um an deren wertvolles Metall heranzukommen. Doch weil die Schiffe die letzte Ruhestätte der mit ihnen untergegangenen Besatzungen sind und als Seekriegsgräber gelten, sind sie vom Gesetzgeber geschützt.
Als die "Chuan Hong 68" von einem Schiff der indonesischen Marine Anfang Mai aufgebracht wurde, war sie schon zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Wochen ins Fadenkreuz der Behörden geraten. Denn das 8000-Tonnen-Schiff war bereits am 20. April wegen illegaler Baggerarbeiten vor den indonesischen Riau-Inseln angehalten worden. Damals gelang es der Crew, den indonesischen Behörden zu entkommen und in malaysische Hoheitsgewässer zu fliehen.
Nachdem das Schiff dann aber schließlich von der Küstenwache Malaysias beschlagnahmt wurde, kam heraus, dass die Chuan Hong von einem malaysischen Unternehmen gechartert worden war. Die indonesische Tageszeitung "Jakarta Post" veröffentlichte Fotos, die ein von Metallschrott bedecktes Schiffs-Deck zeigen.
Kein Einzelfall
Die Behörden gehen davon aus, dass das Metal vom Wrack der Sagiri stammt, einem Zerstörer der Japanischen Kaiserlichen Marine, der vom Torpedo eines niederländischen U-Boots im Dezember 1941 versenkt wurde. Damals starben 121 der 241 Männer an Bord.
Die Plünderer des chinesischen Schiffs sollen außerdem Teile des japanischen Truppentransporters Hiyoshi Maru und des umgebauten Passagierschiffs Katori Maru ausgeschlachtet haben, die beide von dem niederländischen U-Boot K-XIV vor der Küste Borneos im Dezember 1941 versenkt wurden. Alle drei Wracks sind gesetzlich geschützte Seekriegsgräber.
Unter den Dutzenden gesunkener Kriegsschiffe in der Region sind auch zwei der bekanntesten Schiffe der britischen Royal Navy: Die HMS Repulse und die HMS Prince of Wales waren nur wenige Tage nach dem Angriff der Japaner auf die US-Marinebasis von Pearl Harbor von japanischen Flugzeugen versenkt worden.
Beide Schiffe überschlugen sich, als sie sanken. Die Repulse liegt in 56 Meter Tiefe, das Wrack der Prince of Wales ruht in einer Tiefe von 68 Metern auf dem Meeresboden. Mehr als 500 Besatzungsmitglieder gingen mit der Repulse unter, 327 starben an Bord der Prince of Wales. Die Wracks sind bis heute Eigentum der britischen Krone und werden durch den Protection of Military Remains Act von 1986 geschützt.
Doch obwohl sie durch Gesetze geschützt sind, wurden die Wracks flächendeckend geplündert. Allein die aus Phosphorbronze gefertigten Schiffsschrauben sind für Plünderer ein regelrechter Hauptgewinn: Der Schottpreis für Phosphorbronze liegt bei rund 4.370 Euro pro Tonne und jede der insgesamt acht Schiffsschrauben wiegt schätzungsweise 15 Tonnen. Diese Summen locken immer mehr Metallschrottplünderer zu den versunkenen Schiffen in den Gewässern zwischen Singapur, Malaysia und Indonesien.
"Grabschändung", um an wertvolles Metall zu kommen
Seit das Wertvollste aus den Wracks herausgeholt wurde, sind die Plünderer dazu übergegangen, das Kupfer der Heizkessel, die Stahltrassen der Antriebswellen und die großen Anteile von hochwertigem Aluminum aus den Schiffen zu bergen.
Denn das Metall aus den Schiffen, die vor den ersten Atomtests im Jahr 1942 gebaut wurden, ist wertvoll: Es ist kaum von den damals in die Atmosphäre abgegebenen radioaktiven Isotopen verunreinigt und eignet sich daher als wertvoller Rohstoff für die Herstellung sensibler wissenschaftlicher Instrumente.
Als David Yiu von der Tauchschule Friendly Waters Seasports in Singapur das Wrack der HMS Repulse 2015 betauchte, fand er dort selbst gebaute Sprengladungen und Zünder vor, die bereits scharf waren und nur darauf warteten ausgelöst zu werden.
"Es gibt Tote in diesen Schiffen und deshalb sollten sie als Seekriegsgräber respektiert werden", unterstreicht Yiu im Gespräch mit der DW. "Die Schiffe haben eine historische Bedeutung, weil die Männer, die noch immer dort unten sind, ihr Leben für ihr Land gegeben haben. Jetzt werden diese menschlichen Überreste, die von den Baggern an die Oberfläche gebracht werden, einfach über Bord geworfen oder nach dem Einlaufen in den nächsten Hafen, irgendwo an Land entsorgt", regt sich Yiu auf. "Das ist Grabschändung."
Yiu setzt sich seit Jahren für einen besseren Schutz der Wracks in der Region ein, doch er befürchtet, dass das Meer einfach zu groß und das Interesse der Regierungen zu gering ist. Er glaubt nicht, dass die aktuellen Verhaftungen längerfristige Auswirkungen haben.
Er macht die weit verbreitete Korruption in der Region dafür verantwortlich, dass Wrackplünderer, die auf frischer Tat ertappt wurden, oft kurz danach wieder auf freien Fuß gesetzt wurden - wahrscheinlich nach der Zahlung von Schmiergeldern.
Eine schwierige Aufgabe
Die Behörden in den Ländern Südostasiens stehen vor einer Riesenaufgabe, sagt der in Peking lebende Seefahrts-Historiker Steven Schwankert. "Natürlich wünschen wir uns von den Schifffahrtsbehörden, dass sie die Wracks allgemein und besonders die mit Unterwasser-Kriegsgräbern schützen. Aber das Meer ist groß und es erfordert erheblichen Aufwand - besonders, wenn die Wracks weit vor den Küsten liegen und deshalb nicht Teil normaler Patrouillen-Routen sind", gibt Schwankert zu bedenken.
Als Sporttaucher weiß Schwankert von aktuellen Fällen in Südostasien, bei denen Freizeittaucher beim Tauchgang zu einem Wrack dort nur noch einen Trümmer- und Schrotthaufen vorgefunden haben - manchmal war das Wrack sogar ganz verschwunden. "Taucher sind die häufigsten Besucher dieser Unterwasserfriedhöfe und fast alle verhalten sich den Toten gegenüber respektvoll. "Diese Seekriegsgräber und letzten Ruhestätten von Menschen zu sehen, die ihr Leben auf See verloren haben, bricht einem das Herz."
"Doch das Durchsetzen des Seerechts, die Verhängung von Bußgeldern und Gefängnisstrafen erhöhen das Risiko und reduzieren die Aussicht auf Beute für die illegalen Bergungsunternehmen," sagt der Historiker. "Hoffentlich wird dieser Fall abschreckend wirken."