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Wulff geißelt Politiker und Banker

24. August 2011

Bundespräsident Christian Wulff wählte als Forum für eine deutliche Kritik am Umgang mit der Finanzkrise eine Konferenz von Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau. Er machte sich in seiner Rede zum Anwalt der Bürger.

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Bundespräsident Wulff am Rednerpult (Foto: AP)
Bundespräsident Wulff spricht in der Inselhalle in Lindau vor WirtschaftsnobelpreisträgernBild: AP

Für einen Bundespräsidenten im Amt äußerte sich Christian Wulff ungewöhnlich deutlich. Zielscheibe seiner Kritik waren die Politiker und die Europäische Zentralbank (EZB). Der Notenbank wirft er den massiven Aufkauf von Anleihen vor. Er hält dies für rechtlich bedenklich und verweist auf den Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dieser verbiete der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um die Unabhängigkeit der Notenbank zu sichern. Dennoch habe die Bank Staatsanleihen im Volumen von über 110 Milliarden Euro aufgekauft. "Dies kann auf Dauer nicht gut gehen."

Damit sei die Notenbank weit über ihr Mandat hinausgegangen, meinte Wulff in seiner Rede am Mittwoch (24.08.2011) vor Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau am Bodensee. Dies könne allenfalls übergangsweise toleriert werden, sagte er. Die Währungshüter der EZB müssten nun schnell zu ihren vereinbarten Grundsätzen zurückkehren.

Wullf erklärte weiter, die Entwicklung erinnere an ein Domino-Spiel: "Erst haben Banken andere Banken gerettet, und dann haben Staaten Banken gerettet, dann rettet eine Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Wer rettet aber am Ende die Retter?"

Ende der Politik der ungedeckten Wechsel

Euro-Skulptur vor Europäischer Zentralbank in Frankfurt am Main (Foto: AP)
In dem Gebäude der EZB in Frankfurt wird aus Wulffs Sicht die falsche Politik gemachtBild: AP

Der Bundespräsident äußerte auch deutliche Kritik an der Politik vieler Regierungen in der Krise. Immer neue Schulden zu machen, könne auf Dauer nicht gut gehen, sagte er und stellte fest: "Politik mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft ist an ihr Ende gekommen. Die Versündigung an der jungen Generation muss ein Ende haben."

Er wurde auch persönlich: Er empfinde Verantwortung für seine 17-jährige Tochter und seinen dreijährigen Sohn. Daher müssten die Entscheidungen heute so getroffen treffen, dass beide später in Jahrzehnten in etwa so leben könnten wie die Menschen heute.

Der Bundespräsident äußerte auch Verständnis für den Unmut vieler Bürger gegenüber der Finanzwelt. Er verstehe, dass viele Menschen nicht verstünden, dass Bankmanager teils exorbitant verdienten, zugleich aber Banken mit Milliarden gestützt würden. Menschen reagierten empfindlich, wenn Prinzipien der Fairness verletzt würden. Der Finanzsektor müsse wieder in eine "dienende Rolle" zurückfinden.

Politiker müssen im Interesse der Allgemeinheit handeln

Zugleich müsse die Politik ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Wenn nötig, müssten die Politiker auch unpopuläre Entscheidungen treffen, und zwar in den Parlamenten. Die Politik dürfe sich nicht von Banken und Ratingagenturen am "Nasenring durch die Manege" führen lassen.

Schließlich formulierte er noch eine Selbstverständlichkeit, die anscheinend aber nicht mehr selbstverständlich ist: "Politik muss Gemeinwohl formulieren, auch mit Mut und Kraft im Konflikt mit Einzelinteressen."

Lötzsch: "Ohrfeige" für die Kanzlerin

Reaktionen auf die Rede ließen nicht lange auf sich warten. Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch sagte, Wulff habe Kanzlerin Angela Merkel "schallende Ohrfeigen" versetzt. Der Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach meinte dagegen, der Bundespräsident habe sicherlich nicht der Bundesregierung das Leben schwer machen wollen. Vielmehr wollte er dem Ausdruck verleihen, was die Bürger im Land ohnehin denken würden. Bosbach fügte hinzu: "Ich bin doch nicht der Einzige, der die Frage stellt: Kann das auf die Dauer gutgehen?"

Autor: Walter Lausch (dpa, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel