Wulff schweigt weiter zu Vorwürfen
3. Januar 2012Auch an diesem Dienstag: kein Wort des Bundespräsidenten zu den neuen Vorwürfen. Aus dem Regierungslager war ebenfalls lange nichts zu hören. Und als dann Wortmeldungen kamen, waren sie eher widersprüchlich. Während CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ Wulff zur Seite sprang, verlangte die FDP-Spitze in Person des designierten Generalsekretärs Patrick Döring eine rasche Aufklärung. Ähnlich äußerten sich auch der stellvertretende FDP-Chef Holger Zastrow und der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki.
Anrufe nicht nur bei "Bild"
Mit CDU-Generalsekretär Gröhe ergriff erstmals in dieser Woche ein namhafter Unionspolitiker Partei für Wulff. Der “Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochsausgabe) sagte Gröhe: “Christian Wulff hat sich für seinen Anruf bei der Bild-Zeitung entschuldigt. Diese Entschuldigung wurde angenommen. Das sollte nun auch von allen respektiert werden.“
Allerdings geht es mittlerweile nicht mehr nur um die Anrufe bei “Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Diese waren am Montag vom Springer-Verlag ebenso bestätigt wurden wie der Versuch des Staatsoberhaupts, den Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner dazu zu bewegen, die “Bild“ von einer kritischen Berichterstattung über seinen Hauskredit abzuhalten. Vergeblich.
Reporter ins Schloss Bellevue einbestellt?
Das alles bleibt aktuell vom Bundespräsidenten weiter unkommentiert. Ebenso wie eine neue Story, die an diesem Dienstag publik wurde. So hat Wulff nach Darstellung der Tageszeitung "Die Welt" bereits im Sommer 2011 versucht, einen ihm unliebsamen Zeitungsartikel zu verhindern. Der Chefredakteur der "Welt"-Gruppe, Jan-Eric Peters, äußerte auf "Spiegel Online" dazu. Es ging um einen Ende Juni erschienenen mehrseitigen Bericht der "Welt am Sonntag" über Wulffs Familie und das zerrüttete Verhältnis zu einer seiner Schwestern. Die “Welt am Sonntag“ erscheint bekanntlich ebenfalls im Springer-Verlag.
Den Angaben Peters zufolge stellte die Redaktion dem Bundespräsidenten einige Tage vor Veröffentlichung des Artikels schriftlich einige Fragen. Alle seien unbeantwortet geblieben. "Stattdessen gingen in der Redaktion mehrere Anrufe aus dem Bundespräsidialamt ein mit dem Ziel, die Geschichte zu verhindern", sagte Peters. "Als klar war, dass wir den Artikel trotzdem veröffentlichen wollten, wurde einer der Reporter am Samstag wenige Stunden vor Redaktionsschluss ins Schloss Bellevue gebeten." Dort habe Wulff dem Reporter in einem langen Vier-Augen-Gespräch damit gedroht, dass er im Falle einer Veröffentlichung sofort eine Pressekonferenz einberufen und dort erklären würde, dass die "Welt am Sonntag" eine Grenze überschritten habe.
Außerdem habe das Staatsoberhaupt angekündigt, jede Zusammenarbeit mit der "Welt" zu beenden, falls das Stück publiziert würde, sagte Peters. "Unser Reporter, ein erfahrener Journalist, war sehr überrascht von dem Vorgang und sagte mir, er habe diesen Teil des Gesprächs als eisig und sehr heftig empfunden."
"Das kann er nur selbst aufklären"
So gerät der Bundespräsident immer weiter unter Druck. Die Chefin der CSU-Landesgrupppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, äußerte die Erwartung, dass Wulff bald zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nimmt. Sie sei sich sicher, "dass der Bundespräsident die gegen ihn erhobenen Vorwürfe auch überzeugend aufklären kann", sagte sie dem Deutschlandfunk. "Ich weiß nicht, was in den Gedanken des Bundespräsidenten vorgeht, das kann nur er selbst aufklären, den Sachverhalt." Jeder Politiker wisse, "dass er unter einer besonderen Beobachtung steht, dass er auch Vorbildfunktion hat".
SPD beendet politische Schonfrist
Die SPD schlug ebenfalls schärfere Töne an. "Wulff hatte drei Wochen Zeit, die Vorwürfe zu entkräften. Das ist ihm nicht gelungen", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in Berlin. "Kein Bundespräsident steht über Recht und Gesetz. Das gilt auch für die Pressefreiheit." Es sei absolut unangemessen, wenn der Bundespräsident versuche, eine freie Berichterstattung zu verhindern. "Die Wahl zum Bundespräsidenten ist keine Generalamnestie für vorangegangene Verstöße gegen Gesetze und kein Freibrief für weiteres Handeln." Solange unklar sei, ob Wulff bei der Finanzierung seines Hauses oder durch kostenlose Urlaubsaufenthalte Belohnungen oder Geschenke im Sinne des niedersächsischen Ministergesetzes angenommen hat, könne er sein Amt nicht mehr unbefangen ausüben. Wulff sollte deshalb beim Staatsgerichtshof Niedersachsen die Feststellung beantragen, "ob sein Verhalten in Niedersachsen das Gesetz verletzt hat".
Die Grünen fordern eine klare Stellungnahme von Merkel in der Wulff-Affäre. Die müsse "aus der Deckung rauskommen" und sagen, wie sie die jüngsten Entwicklungen bewerte, sagte Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn im Deutschlandfunk. Wulff sei "den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen." Die Anrufe bei der "Bild" und dem Springer-Konzern seien "ein starkes Stück" und zeigten ein "eigentümliches Verständnis von Pressefreiheit".
Kanzlerin soll sich erklären
Wulff steht seit Mitte Dezember wegen seiner Kredite für den Kauf eines Eigenheimes in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident in der Kritik. Er hatte sich eine halbe Million Euro von der Frau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens geliehen, den Kredit nach eigener Darstellung dann in ein zinsgünstiges Darlehen bei der BW-Bank umgewandelt. Warum er dort so außerordentlich günstige Konditionen erhielt, gehört ebenfalls noch zu den vielen unbeantworteten Fragen.
Autor: Marko Langer (dpa, afp, dapd, rtr)
Redaktion: Gerhard M Friese