Wurde die Oder mit Quecksilber verseucht?
12. August 2022Im Zusammenhang mit dem massiven Fischsterben in der Oder verdichten sich Hinweise auf hochgiftige Stoffe im Wasser des Flusses. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) meldet, stellten Mitarbeiter des zuständigen Landeslabors in Proben eine massive Quecksilberverseuchung fest. Demnach ist noch nicht geklärt, ob das Quecksilber tatsächlich die Ursache für das Fischsterben ist. Allerdings sollen die gemessenen Werte der Substanz so hoch gewesen sein, dass das Testergebnis nicht darstellbar war und die Untersuchung wiederholt werden muss.
Das brandenburgische Umweltministerium teilte unter Berufung auf erste Laboruntersuchungen mit, es zeichne sich ab, dass ein "noch unbekannter, hoch toxischer Stoff" die Oder durchlaufe. In den vergangenen Tagen waren auf deutscher Seite mehrere Tonnen toter Fische aus dem Grenzfluss geholt worden. Umweltverbände sprachen von einer ökologischen Katastrophe.
Polens Regierung spricht von Chemieabfällen
Nach Aussage von Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki ist das Fischsterben offenbar durch die Einleitung von Chemie-Abfällen ausgelöst worden. "Es ist wahrscheinlich, dass eine riesige Menge an chemischen Abfällen in den Fluss gekippt wurde, und das in voller Kenntnis der Risiken und Folgen", sagte Morawiecki in einer auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft.
Morawiecki betonte, alle zuständigen Behörden seien in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Jeden Tag werde Wasser aus dem Fluss entnommen, auch das Veterinäramt und die Gesundheitsbehörde seien mit einbezogen. "Die wichtigste Aufgabe ist es aber jetzt, den Täter, den Giftmischer zu finden." Dies sei kein gewöhnliches Verbrechen, da der Schaden auf Jahre bleiben könne, so Polens Regierungschef weiter. "Wir werden nicht ruhen, bis die Schuldigen hart bestraft sind."
LKA ermittelt
Zu den ermittelnden Behörden gehört auch das Landeskriminalamt, das in engem Austausch mit polnischen Stellen steht. Das Problem habe "offensichtlich" im Nachbarland seinen Ursprung, sagte ein Sprecher. Unbestätigten Berichten zufolge waren am 27. oder 28. Juli im polnischen Opole bei einem Unfall in einer Chemieanlage Substanzen in die Umwelt gelangt.
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel sagte dem RBB, er selbst wisse bislang "nur von Dritten und aus Medien, dass in größerem Umfang Lösungsmittel freigesetzt wurden, die möglicherweise für das Fischsterben mit verantwortlich sind". Deutliche Kritik übte Vogel an den polnischen Behörden: "Es ist festzustellen, dass die vereinbarten Meldewege nicht eingehalten wurden und wir deswegen auch viele Informationen nicht haben, die wir hätten haben sollen."
"Wertvolle Zeit ging verloren"
Der Umweltverband WWF kritisierte ebenfalls Fehler im grenzüberschreitenden Informationsfluss. "Gewichtige Hinweise auf das Fischsterben gibt es auf polnischer Seite offenbar schon seit mehr als zehn Tagen", erklärte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Finn Viehberg. "Hier scheint wertvolle Zeit verloren gegangen zu sein, in der sich beispielsweise auch der Nationalpark Unteres Odertal und die Anrainer des Oderhaffs auf dort möglicherweise auftretende Schadstoffe hätten einstellen können."
Polen wird die Ergebnisse einer Analyse verendeter Fische frühestens am Sonntag vorlegen können. Das sagte der Leiter des Staatlichen Forschungsinstitut in Pulawy der Nachrichtenagentur PAP. Krzysztof Niemczuk erklärte, bis zu diesem Freitagvormittag seien ihm noch keine Proben zugegangen. Die Kadaver sollen auf Metalle, Pestizide und andere giftige Stoffe untersucht werden.
Indessen weitet sich das Fischsterben nach Norden hin aus. Die brandenburgischen Landkreise Uckermark und Barnim warnten vor Kontakt mit dem Flusswasser. Dieses soll auch nicht zur Bewässerung oder zum Tränken von Vieh verwendet werden. Hunde seien von den Ufern fernzuhalten. Fische aus der Oder dürften nicht verzehrt werden.
jj/se (dpa, afp)