WWF-Report: Menschheit braucht Richtungswechsel
30. Oktober 2018Der Living-Planet-Report 2018 von der globalen Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) hält uns Menschen einen Spiegel vor und beschreibt auf 148 Seiten den aktuellen Gesundheitszustand der Erde.
Demnach gingen in den letzten 40 Jahren die Bestände von über 16.000 untersuchten Wirbeltieren weltweit um 60 Prozent zurück. Die größten Bedrohungen für den Verlust der Arten sind laut Report die menschlichen Aktivitäten. Die Lebensräume von Wildtieren werden durch verschiedene Eingriffe in die Natur zunehmend zerstört, durch übermäßige Ausbeutung, Krankheiten, Umweltverschmutzung und Klimawandel.
"Die Wissenschaft zeigt uns die harte Realität, die unsere Wälder, Ozeane und Flüsse für uns bereithalten. Die schrumpfenden Tierzahlen und die abnehmenden intakten Lebensräume sind ein Indikator für den enormen Druck, den wir auf den Planeten ausüben. Wir untergraben die Natur und Artenvielfalt, das was uns alle ernährt", sagt Marco Lambertini, Generaldirektor von WWF International bei der Vorstellung des Berichts in Gland bei Genf.
Die WWF-Statistiken zur steigenden Weltbevölkerung, steigenden CO2- und Methan-Emissionen, Erderwärmung, Einsatz von synthetischen Düngemitteln, Fischfang und Verlust von tropischen Wäldern zeigen ein beängstigendes Bild. Die Hoffnung für eine Trendwende sei aber "nicht verloren", sagt Ken Norris, Director von der Zoological Society of London. "Wir haben die Möglichkeit, einen neuen Weg zu entwickeln, der es uns ermöglicht, nachhaltig mit Wildtieren zusammen zu leben".
Derzeitiger Konsum verbraucht 1,7 Erden
Die Natur versorgt uns mit allerlei Gutem: unter anderem mit Frischluft, sauberem Wasser, fruchtbaren Böden, Nahrungsmitteln, Energie und Medikamenten. Nur der Verbrauch wächst und ist mittlerweile sehr viel höher als unsere Erde noch vertragen kann.
Laut WWF-Bericht verbrauchen alle Staaten der Welt natürliche Ressourcen in einem Maße, die der Regenerationsfähigkeit von 1,7 Erden entsprechen. Die Folgen sind schon deutlich spürbar:
"Die Natur hat unsere Gesellschaften und Wirtschaften seit Jahrhunderten aufrechterhalten und tut dies auch heute noch. Im Gegenzug haben wir die Natur als selbstverständlich hingenommen und gegen ihren zunehmenden Verlust gehandelt", beklagt Lambertini und fordert: "Wir müssen dringend überdenken, wie wir die Natur nutzen und schätzen - kulturell, wirtschaftlich und politisch."
Industrieländer besonders gefordert
Für den zu starken Ressourcenverbrauch sind die Menschen, Regierungen und Unternehmen verantwortlich. Laut WWF-Bericht ist ein Richtungswechsel möglich "wenn alle Akteure daran mitwirken: Regierungen, Zivilgesellschaft, Unternehmen, Finanzwirtschaft, Wissenschaft und jeder Einzelne als Verbraucher".
Eine besondere Verantwortung komme dabei den Industrieländern zu. Dort würden durch den Konsum überdurchschnittlich viele Ressourcen verbraucht, mehr als den Menschen "fairerweise" zusteht.
Deutschland habe am weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt maßgeblich Anteil, betont der WWF Deutschland. "Für unseren Lebensstil fallen in Südamerika, Afrika oder Asien Bäume, verschmutzen Flüsse, schwinden Tierbestände oder sterben Arten ganz aus", sagt Jörg-Andreas Krüger vom WWF bei der Vorstellung der deutschen Kurzfassung des Reports in Berlin.
Die Naturschutzorganisation fordert deshalb EU-weite Nachhaltigkeitskriterien für importierte Agrar- und Mineralrohstoffe sowie einen internationalen Waldfonds mit mindestens 100 Millionen Euro Jahresbudget. Aus diesem Fond könnten weltweit Projekte zum Waldschutz und zur Wiederaufforstung unterstützt werden.
Schneller Richtungswechsel erforderlich
Viel Zeit für die Trendwende bleibt laut WWF nicht, "aber sie ist machbar". Dazu sei "mutiges und konsequentes Handeln aller Akteure erforderlich". Das Zeitfenster dafür ist aus Sicht des WWF klar: Die Weltgemeinschaft hat mit 2020 ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Erde vor sich. Dann steht das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDG) ebenso auf dem Prüfstand wie das Klimaabkommen von Paris und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Würden alle vereinbarten Ziele bis 2030 wirklich erreicht, könnte der Richtungswechsel gelingen.