Zankapfel Zuwanderung
2. März 2015Seit Jahren steigen die Zuwanderungszahlen in der Bundesrepublik kontinuierlich an. Im Jahr 2013 kamen 1,2 Millionen Menschen als Zuwanderer nach Deutschland. Nach Abzug derjenigen, die das Land im gleichen Zeitraum verlassen haben, bleibt unter dem Strich noch ein Plus von 430.000 Personen. Und dieser Trend nimmt weiter zu. Braucht Deutschland angesichts dieser Zahlen also ein Zuwanderungsgesetz?
Keine Einigkeit in der Politik
Die Meinungen darüber gehen auseinander - sogar innerhalb der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD. "Nein", sagt zum Beispiel Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die vorhandenen gesetzlichen Regeln reichten aus, um die Migranten aufzunehmen, erklärte er vor wenigen Wochen bei der Vorstellung des Migrationsberichts. "Ja", meinen dagegen Politiker der oppositionellen Grünen, die Bundesrepublik brauche ein Gesetz, um die Zuwanderung zu steuern und den Migranten Rechtssicherheit zu geben. So forderte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die Bundesregierung auf, eine "neue gesetzliche Grundlage" für Einwanderung zu schaffen.
Und "Jein" sagt die SPD. Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann spricht sich für ein Punktesystem aus, ähnlich dem, das in Kanada angewandt wird. Ein entsprechendes Positionspapier stellte er am Dienstag vor Journalisten in Berlin vor. Rückendeckung erhält Oppermann vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. In einem Meinungsartikel für die FAZ forderte er kürzlich ein Gesetz, das regelt, welche Einwanderung Deutschland braucht und welche nicht. Andere SPD-Politiker wie die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Parteivize Ralf Stegner dagegen bremsen. Sie warnen vor zunehmendem Druck auf die Löhne durch Arbeitsmigranten und fordern stattdessen mehr Qualifikationsmaßnahmen für deutsche Arbeitslose.
Die Union streitet über die Zuwanderung
Klar positioniert hat sich bislang nur die CSU. Sie lehnt ein Einwanderungsgesetz strikt ab. "Mit mir wird es das nicht geben", polterte Parteichef Horst Seehofer beim Politischen Aschermittwoch in Passau. "Wenn ein Land jährlich eine Million Zuwanderer hat, dann brauchen wir kein Gesetz mit noch mehr Zuwanderung", sagte er. Der Ministerpräsident wandte sich auch gegen den in Bayern besonders spürbaren Zuzug von Asylbewerbern aus dem Kosovo. Es gebe keine politische Verfolgung im Kosovo und in Albanien, so Seehofer. Abgelehnte Asylbewerber vom Balkan müssten daher konsequent abgeschoben werden. "Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt", rief Seehofer aus.
Zuvor hatte sich schon CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gegen ein Zuwanderungsgesetz ausgesprochen. Ein solches Vorhaben sei "so überflüssig wie Sand in der Sahara", spottete er und traf damit die Stimmung in weiten Teilen der Union.
Trotzdem gibt es bei der Schwesterpartei CDU auch andere Stimmen. So forderte Generalsekretär Peter Tauber die gesetzliche Steuerung der Zuwanderung. Ihm gehe es dabei vor allem um das politische Signal an die Einwanderer, dass sie in Deutschland willkommen seien, sagte er. Letztlich brauche die Bundesrepublik qualifizierte Zuwanderer, um den demografischen Rückgang der Bevölkerung und den daraus resultierenden Arbeitskräftemangel auszugleichen. Mit diesem Vorstoß zog sich Tauber den Unmut vieler seiner Fraktionskollegen zu, die ein Gesetz ablehnen. Lediglich beim Wirtschaftsflügel seiner Partei erntete er Zustimmung. Der CDU-Wirtschaftsrat wirbt für ein bedarfsorientiertes Punktesystem, mit dem Einwanderer angeworben werden sollen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen wartet offenbar ab, wie sich die Debatte weiter entwickelt. Ihre Meinungsbildung zu dem Thema sei noch nicht abgeschlossen, sagte sie.
Zuwanderung ja - aber ohne Gesetz
Überraschend einig sind sich dagegen Linkspartei und Vertreter der Wirtschaft. Beide sprechen sich für Einwanderung aus, lehnen ein Gesetz zu ihrer Steuerung jedoch ab. "Wir sind gegen eine Selektion mit Punktesystem", erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dadgelen. Maßstab bei der Aufnahme von Zuzüglern müssten die Menschenrechte sein und nicht die Nützlichkeit einer Person für den Arbeitsmarkt.
Die deutsche Wirtschaft verlangt ebenfalls Zuwanderung. Ein Gesetz hält sie jedoch nicht für nötig. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte in einem Zeitungsinterview, zwei Drittel der Zuwanderer kämen aus EU-Ländern, für die es keines Gesetzes bedürfe. Für die übrigen gebe es ausreichende und umfassende Regelungen, die man weiter optimieren könne. "Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte um ein neues Zuwanderungsgesetz", so Schweitzer.