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Zehn Jahre Finanzkrise

3. Juli 2017

Vor zehn Jahren begann in den USA die Subprime-Krise, die ein Jahr später mit der Pleite von Lehmann zur globalen Finanzkrise wurde. Was haben Politik und Finanzwelt aus dem Desaster gelernt?

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New York City Lehman Brothers Zentrale
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Altaffer

Hinterher weiß man bekanntlich immer alles besser. Als im April 2007 in den USA zuerst der Hypothekenfinanzierer New Century Financial pleite ging und im Juni dann zwei Hedgefonds der Investmentbank Bear Stearns in Schieflage gerieten, interessierte das zunächst nur Fachleute.

Doch schon Ende Juli war die Subprime-Krise, das Geschäft mit hochriskanten US-Immobilienkrediten, in Deutschland angekommen: Die Düsseldorfer Bank IKB hatte sich verspekuliert und musste mit Steuergeld und Staatsgarantien gerettet werden.

"Das war für Deutschland der Beginn der Finanzkrise, es folgten viele Rettungsaktionen", erinnert sich Axel Weber, damals Präsident der Bundesbank und heute Chef der Schweizer Großbank UBS.

Was hat die Finanzwelt gelernt?

Als im September 2008 dann die Investment Bank Lehman Brothers Pleite ging, sah es zunächst so aus, als würde sie die gesamte Finanzwelt mit in den Abgrund ziehen.

"Damals wurde das schnellste jemals verabschiedete Gesetz durch den Bundestag gebracht - das Gesetz zur Stabilisierung des Finanzmarktes", so Weber. "480 Milliarden Euro Gesamtsumme. 400 Milliarden als Garantien, und etwa 80 Milliarden als Kapitalinjektion für Banken."

Die Welt hat sich noch immer nicht ganz von den Folgen der Finanzkrise erholt. Aber hat sie zumindest aus dem Desaster gelernt? Das war die Frage einer Veranstaltung des Center for Financial Studies an der Goethe Universität Frankfurt.

Stabiler, aber nicht stabil

"Auf den ersten Blick haben wir heute eine stabilere Situation in der Finanzbranche", sagte Herbert Hans Grüntker, Chef der Landesbank Hessen Thüringen (Helaba) und Vorsitzender des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).

"Ob sie auch auf den zweiten und dritten Blick stabiler geworden ist, daran gibt es Zweifel, wie der Blick in das südliche Ausland in den letzten Wochen gezeigt hat", so Grüntker.

Italien Banca Popolare di Vicenza
Zusammen mit Veneto Banco wurde die Banca Popolare di Vicenza gerettet. Kosten für den Steuerzahler: 17 Milliarden EuroBild: picture-alliance/ROPI

Ende Juni hatte die italienische Regierung bekannt gegeben, zwei angeschlagene, aber nicht systemrelevante Regionalbanken abzuwickeln. Kosten für die italienischen Steuerzahler: rund 17 Milliarden Euro. Ebenfalls im Juni war in Spanien die Banco Popular in einer Nacht- und Nebelaktion verkauft worden - für einen symbolischen Euro, aber immerhin ohne Belastung der Staatskasse.

In Spanien "hatten wir sehr viel Glück", so Elke König, die als Chefin der europäischen Abwicklungsbehörde SRB an der nächtlichen Krisensitzung teilgenommen hatte. Denn mit der spanischen Großbank Santander gab es immerhin "einen willigen Käufer."

Nicht auszudenken, was sonst am nächsten Morgen an den Finanzmärkten los gewesen wäre, denn für alternative Lösungen fehlte schlicht die Zeit. "Man sollte solche Aktionen nicht an einem Dienstagabend starten, in der Hoffnung, Mittwoch früh fertig zu sein", so König.

Krise noch nicht vorbei

Für UBS-Chef Axel Weber ist dieser Zeitdruck ein Beleg dafür, dass in der Finanzbranche noch längst nicht alles in Ordnung ist.

"Wir sind noch immer in der Auflösung der Krise, aber noch nicht nach der Krise", sagte Weber. "Erst wenn alle schlechten Vermögenswerte in den Bilanzen abgeschrieben und Verluste realisiert sind, ist die Krise vorbei."

Bildergalerie Schweiz Steuern Großbank UBS in Zürich Axel Weber
Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber: "In der Finanzbranche ist noch längst nicht alles in Ordnung"Bild: Getty Images/AFP

Wie lange das noch dauern wird, ist offen. Europas Banken leiden unter der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Zentralbank, und die Wirtschaft des Kontinents dümpelt so dahin.

Immerhin werden Banken jetzt besser reguliert. Allerdings ist der bürokratische Aufwand für Banken hoch. Das erste internationale Regelwerk zu Eigenkapitalanforderungen für Banken (Basel 1) hatte im Jahr 1988 einen Umfang von nur 30 Seiten, so Weber. Der 2013 beschlossene Nachfolger "Basel 3" komme auf 600 Seiten, und der Dodd-Frank Act in den USA sogar auf 30.000 Seiten.

"Ich habe mal durchzählen lassen, wie viele Regulierungsanweisungen wir in der UBS jedes Jahr bekommen", so Weber, der Chef des weltweit tätigen Instituts. "Es sind zwischen 50.000 und 60.000."

Renationalisierung?

Trotzdem sollten Banken jetzt nicht weniger Regulierung fordern, sagte Martin Zielke, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank. Stattdessen müssten die verschiedenen Regeln besser aufeinander abgestimmt werden, auch international.

Allerdings stehen die Zeichen derzeit nicht auf besserer Abstimmung, ganz im Gegenteil: US-Präsident Donald Trump will die Auflagen für Banken wieder lockern.

Zielke befürchtet eine "Renationalisierung der Regulierung". "Hoffentlich wird das nicht so heiß gegessen wie gekocht", ergänzt Elke König. "Sonst drehen wir uns im Kreis und stehen dann wieder am Ausgangspunkt." Also dort, wo man schon vor der Krise war.

Der G20-Gipfel am Wochenende in Hamburgwird vielleicht erkennen lassen, wie es um die internationale Kommunikation bestellt ist. In der Vergangenheit waren die Gipfel auch Foren zur Krisenbewältigung: Erstmals 1999 als Reaktion auf die Asienkrise, dann 2008 während der Finanzkrise.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.