Zeitgenössische Kunst in St. Petersburg
Umstritten ist sie: die Manifesta 10 in St. Petersburg. Die Wander-Biennale für zeitgenössische Kunst in Putins Staat, in dem ein Klima von Zensur und Homophobie herrscht? Die DW gibt Einblicke in die Ausstellung.
Es darf auch erotisch sein - ein bisschen zumindest
Bei der Eröffnung versicherte der Eremitage-Direktor Michail Piotrowski, man "habe sich mit den Juristen beraten. Kein Kunstwerk der Manifesta verstoße gegen russische Gesetze". Das Bild von Nicole Eisenman "It is so", auf dem der Liebesakt von zwei Frauen dargestellt ist, kann also in der Eremitage gezeigt werden - trotz des Gesetzes gegen "Propaganda von Homosexualität".
Dunkle Wolken über St. Petersburg
Im Vorfeld der Manifesta 10 gab es Zweifel: Eine solche Kunstshow im Putin-Staat? Das Manifesta-Team unter dem Kurator Kasper König hatte dann auch im harten Kampf gegen Bürokratie und Zensur zu bestehen. Nun ist die Ausstellung eröffnet – in der alten Eremitage und dem ehemaligen Generalstabsgebäude, in dem sich nun ein Museum für zeitgenössische Kunst befindet.
Am Zarenthron
"Emma" von Gerhard Richter, eine Ikone der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts: Sie hängt in einem Raum, der von dem prunkvollen Georgs-Saal, dem Thronsaal russischer Imperatoren, nur durch eine Wand getrennt ist. Das Bild ist auch wie eine Ikone inszeniert. Trotz spiegelndem Glas, ein Augenschmaus.
"Mama, wer ist die Prinzessin?"
Das kleine Mädchen fand "die Prinzessin mit dem Hündchen" ganz toll. Katharina Fritsch hat im Boudoir der Zarin Maria Alexandrovna ihre erotische "Dame mit dem Hündchen" positioniert, als humorvolle Antwort auf das verschnörkelte historische Interieur. Gleichzeitig ist sie eine Hommage an die berühmte Novelle von Anton Tschechow.
Eine Referenz an Malewitsch?
"Abschlag" - so nannte der Künstler Thomas Hirschhorn seine großformatige Installation. In den entblößten Räumen entdeckt man erst auf den zweiten Blick Bilder von berühmten russischen Künstlern wie Pawel Filonow oder Kasimir Malewitsch. Hirschhorn versteht seine Arbeit als eine Reflektion der revolutionären Ideen russischer Kunst des frühen 20. Jahrhunderts.
"Vorahnung des Bürgerkriegs"
Der Fotokünstler Boris Mikhailov lässt in seinen Bildern den "Mythos Maidan" weiterleben. Einen Boykott der Ausstellung - von vielen Kollegen gefordert - lehnte er ab: "Wenn man etwas zu sagen hat, soll man das auch tun." Seiner Serie "Kriegsschauplatz", die im Dezember 2013 auf dem Maidan in Kiew entstand, wollte er erst "Vorahnung des Bürgerkrieges" nennen, in Anlehnung an Salvador Dalí.
Schwul oder nur berühmt?
Es gäbe keine Zensur bei der Manifesta 10 - nur bestimmte Tabus, die zu beachten seien. Das erklärte die Manifesta-Leitung. Immerhin kann die südafrikanische Künstlerin Marlene Dumas ihre Porträts schwuler Männer zeigen, darunter Peter Tschaikowski, Rudolf Nurijew oder Sergej Djagilew. Die Arbeit heißt aber schlicht "Berühmte Männer".
Wladislaw Monroe: viel Mut zur Kunst
Als Reverenz an die lokale Kunstszene zeigt die Manifesta 10 wichtige Werke von einigen Petersburger Künstlern. Darunter ist Wladislaw Mamyschew, der 2013 mit 44 Jahren verstarb. Er war einer der schillerndsten Figuren der russischen Kunstszene der 90er Jahre und stilisierte sich als Kunstfigur "Monroe". Hier ein (Selbst)Porträt.
Francis Alÿs am Ziel seiner Jugendträume
Was hier wie Aufnahme eines Verkehrsunfalls aussieht, sind letzte Arbeiten an dem Projekt "Lada Kopeika" des Künstlers Francis Alÿs. Vier Tage war er mit seinem Bruder von Brüssel nach Petersburg unterwegs, um dann im Eremitage-Hoff gegen einen Baum zu prallen. Von der Reise haben beide schon als Jugendliche geträumt. Der unterwegs gedrehte "Road-Movie" ist Teil der Show.
Man sieht sich!
Nach den Eröffnungsfeierlichkeiten geht die eigentliche Show los: bis Ende Oktober bietet die Manifesta 10 zahlreiche Events. Die Ausstellung soll Anlass zum Nachdenken geben und zum Begegnungsort für junge Menschen werden - die sich schon mal am Werk von Huan Muñoz ablichten lassen.