Armutsrente für jeden zweiten Arbeitnehmer?
24. Dezember 2016Die "Saarbrücker Zeitung" zitiert aus einer aktuellen Datenübersicht der Bundesregierung und des Statistischen Bundesamtes. Demnach ist derzeit ein monatliches Bruttogehalt von 2.330 Euro nötig, um im Laufe eines durchschnittlich langen Arbeitslebens von 38 Jahren eine Rente in Höhe der staatlichen Grundsicherung im Alter zu erzielen.
Jedoch verdienten 19,5 Millionen der rund 37 Millionen Beschäftigten, die in der aktuellen "Verdienststrukturerhebung" des Statistikamts erfasst sind, weniger, berichtete das Blatt. Damit bekämen 52 Prozent der Beschäftigten im Alter eine Rente unter dem durchschnittlichen Grundsicherungsbedarf von 795 Euro.
Trotz des hohen Beschäftigungsstandes müssten viele Arbeitnehmer in eine unsichere Zukunft blicken, kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, die die Daten angefordert hatte. Sie forderte daher, die gesetzliche Rente so zu stärken, dass niemand Armut im Alter fürchten müsse.
Der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands, Georg Cremer, kritisierte indes die Debatte über eine Stabilisierung des durchschnittlichen Rentenniveaus. Die von Gewerkschaften und Sozialverbänden erhobene Forderung nach einem höheren Rentenniveau helfe gerade nicht den bedürftigen Rentnern, da bei ihnen eine höhere Rente mit der Grundsicherung verrechnet würde, sagte er der Tageszeitung "Die Welt". "Wir reden über die Bekämpfung der Altersarmut und sprechen dabei von Maßnahmen, die die Armen gar nicht erreichen."
Das Rentenniveau gibt das Verhältnis der Rente zum Durchschnittslohn an. Befürchtet wird, dass es ohne Reform von derzeit 48 Prozent bis 2045 auf 41,7 Prozent sinkt. Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) will eine "Haltelinie" bei 46 Prozent erreichen. Den Gewerkschaften und vor allem der Linkspartei reicht das nicht. Cremer, der im Caritas-Vorstand für Sozialpolitik verantwortlich ist, warnte davor, die sozialen Verhältnisse schlecht zu reden. "Das oft beschworene Bild von der wegbrechenden Mitte entspricht nicht den Fakten", sagte der Ökonom. Die Schere zwischen Arm und Reich sei seit zehn Jahren nicht weiter auseinandergegangen. "Die Verunsicherung der Mitte ist ein Nährboden für populistische Parteien", mahnte Cremer. "Untergangsrhetorik oder gar Sozialpopulismus" verfestigten den Eindruck, die Politik kümmere sich nicht um die Probleme der Bürger. Tatsächlich sei Deutschland aber ein stabiles, relativ gut regiertes Land.
sti/hk (afp, dpa, kna)