Mauerbau Zeitzeugen Ostblock
12. August 2011Yova Andreeva aus Sofia ist heute 85 Jahre alt und erinnert sich: "Ich war 35 Jahre alt, als die Berliner Mauer gebaut wurde. Ich und meine Freunde waren tief erschüttert. Wir konnten einfach nicht glauben, dass im 20. Jahrhundert eine Regierung einen Gefängniszaun baut mit einem einzigem Ziel: die Freiheit ihre eigenen Bürger zu bremsen." Auch wenn Yova Andreeva selbst in einem kommunistischen Land gelebt hat, war der Bau der Mauer auch für sie eine drastische Art, die Freiheit der Menschen zu beschränken.
Verhaftet und verurteilt
Der albanische Schriftsteller und Historiker Agim Musta (81) erinnert sich sehr gut an den Bau der Berliner Mauer, weil gerade diese Zeit für ihn persönlich eine besondere Bedeutung hatte. Im August 1961 wurde er von der albanischen Staatssicherheit zusammen mit einer Gruppe von Intellektuellen verhaftet und zu 13 Jahren Haft verurteilt. "Organisierung einer feindlichen Gruppe mit dem Ziel, die Staatsmacht zu stürzen", so lautete damals die Anklage. Regimekritiker oder auch Andersdenkende hatten es in dem streng kommunistischen Land unter Diktator Enver Hoxha schwer.
Deutschland wurde damals sowohl von regimetreuen als auch regimekritischen Albanern genau beobachtet. "Das albanische Volk und die politisch Verfolgten haben Deutschland als den Mittelpunkt Europas gesehen. In Berlin gab es die größte Spannung zwischen Ost und West", sagt Musta. "Die Nachricht über den Baubeginn der Berliner Mauer haben wir im August 1961 in den westlichen Medien, die in Fremdsprachen gesendet haben, erfahren". In den staatlich gelenkten albanischen Medien ging diese Nachricht indes "unter". "Der Bau der Berliner Mauer zeigt, dass das kommunistische System nur durch Gewalt überleben konnte", resümiert Musta.
Keine Betroffenheit
Eginald Schlattner ist heute 77 Jahre alt. Er ist Pfarrer und Schriftsteller und kommt aus Siebenbürgen, Rumänien, wo er auch heute noch lebt. Ähnlich wie Musta hatte der Theologe zur Zeit des Mauerbaus Probleme mit den kommunistischen Machthabern. Daher habe der Bau der Mauer ihn eigentlich nicht berührt und auch nicht betroffen. "Ich habe es natürlich als Information wahrgenommen, aber es hat keine Auswirkungen gehabt. Ich war damals in einer sonderbaren Situation. Nach zwei Jahren Haft bin ich dann entlassen worden, ich war verurteilt worden wegen sogenannter 'Nichtanzeige von Hochverrat'. Ich habe einen furchtbaren Herbst, einen furchtbaren Winter, einen furchtbaren Frühling hinter mich gebracht." Dennoch ist der Mauerbau auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen. "Trotzdem erinnere ich mich daran, dass ich damals eine Formel gefunden habe, die kürzeste Formel, die ich für mich kenne, was den Sozialismus betrifft. Mit Verwunderung stellte ich fest, dass Sozialismus bedeutet, dass man dich zu deinem Glück zwingen muss!"
Grenze durch Friedhofe
Bolko Kliemek ist ein Berliner Pole, Jahrgang 1927, geboren im Virchow-Klinikum im Bezirk Wedding. Berlin ist seine Stadt, besonders der Norden, wo er aufgewachsen ist. In der Liesenstraße, der Straße der vier bekanntesten Berliner Friedhöfe. Dort verbrachte er seine ganze Kindheit mit älteren Geschwistern und mit Schulfreunden. Klar, so sagte er, war er oft auf den Friedhöfen, denn da liegen doch Theodor Fontane und so viele andere Größen. Bolko Kliemek kennt die Gegend wie seine Westentasche. Und dann, auf einmal, konnte er nicht mehr dorthin. "Der Witz war, dass ein Teil der Straße nach Wedding zum französischen Sektor gehörte, ein anderer Teil zu der russischen Zone", erzählt der heute 84-Jährige. "Und genau dort, quer durch die Friedhöfe, mussten sie den Grenzstreifen bauen. Wahnsinn."
Autoren: R. Binder/V. Ivanova/A. Muka/E. Stasik
Redaktion: Mirjana Dikic