Zelten für besseres Klima
24. August 2017Die "Klimacamper" in Bonn sind gut organisiert: Es gibt ein Infozelt, ein Veranstaltungszelt und sogar ein Küchenzelt - alle mit einem Zettel vor dem Eingang markiert. Wer sich waschen will, muss sich allerdings länger umschauen. Eine Woche ohne Dusche? Geht das überhaupt? Camperin Carlotta Grohmann muss lachen. Ganz so schlimm wie es auf den ersten Blick aussieht, sei es um die sanitären Anlagen im "Camp" auch nicht bestellt: Es gäbe sogar eine Dusche, allerdings nur mit kaltem Wasser, sagt die 21-Jährige Studentin.
Eine ganze Woche lang zelten auf einer Wiese vor dem historischen Poppelsdorfer Schloss rund 20 Umweltaktivisten der Bonner Jugendbewegung und diskutieren mit Anwohnern und Besuchern über den Klimawandel. Vor allem aber wollen sie ihrem Protest gegen die UN-Klimakonferenz Ausdruck verleihen, die vom 6. bis zum 17. November in Bonn stattfinden wird.
Umweltaktivisten, die gegen eine Klimakonferenz protestieren? Carlotta Grohmann erklärt: "Seit über zwanzig Jahren werden diese Klimagipfel abgehalten und trotzdem steigt der CO2-Anteil in der Luft kontinuierlich." Grohmann zweifelt den Sinn solcher Konferenzen stark an: "Es gibt auch weiterhin kein festes Reduktionsziel, also keinerlei Festlegung darüber, wieviel CO2 man tatsächlich einsparen will. Die Staaten sind auch nicht verpflichtet, sich an ihre Zusagen zu halten."
Lob und Kritik vom "Veteran"
Nur ein paar Straßen von den Klimacampern entfernt, hat Christoph Bals sein Büro. Der Endfünfziger ist ein regelrechter "Klimakonferenzveteran". Seit 1995 gibt es dieses Konferenzen, Christoph Bals war jedes Mal dabei. Heute ist er der Geschäftsführer von "Germanwatch", einem Verein, der sich stark in der Umwelt- und Entwicklungspolitik engagiert.
Die Sympathie für die jugendlichen Protestler ist ihm durchaus anzumerken. Ganz so stehen lassen will er einige ihrer Aussagen dann aber doch nicht. Die Klimakonferenz hält er für eine gute Sache: "Sehen Sie sich einmal an, was alleine die UN-Klimakonferenz 2015 in Paris - dieser große Durchbruch - gebracht hat. Seitdem sind global die energiebedingten Emissionen nicht mehr angestiegen. Zudem sind mehr als die Hälfte der seit 2015 aufgebauten Kapazitäten im Energiesektor durch erneuerbare Energien entstanden."
Im Rathaus freut man sich
Die UN-Klimakonferenz wird eine Megaveranstaltung. 20.000 Teilnehmer aus aller Welt werden erwartet, die Zuständigkeiten sind komplex: Offiziell sind die Fidschi-Inseln Gastgeber. Da die Infrastruktur der kleinen Inselgruppe im Südpazifik für eine solche Massenveranstaltung nicht ausreicht, ist der UN-Campus in Bonn als Austragungsort auserkoren worden. Die Werbekampagne läuft auf Hochtouren, am Veranstaltungsort direkt am Rhein sind die Bauarbeiten in vollem Gange. Doch vor allem in den sozialen Netzwerken zeigen sich einige Bürger verärgert.
Dabei wird Bonn stark von der Klimakonferenz profitieren, glaubt Monika Hörig, Pressesprecherin der Stadt. Sie gerät ins Schwärmen: "Bonn wird im Herbst mindestens 14 Tage lang in allen Nachrichtensendungen der Welt auftauchen. Sich so profilieren zu können, auch andere Facetten dieser Stadt transportieren zu können - das ist eine wunderbare Chance für unsere Stadt."
Vor allem Deutschland in der Verantwortung
Auch Christoph Bals von "Germanwatch" erkennt die Vorteile der ehemaligen deutschen Hauptstadt als Veranstaltungsort: Denn Deutschland müsse als Veranstaltungsort eines solchen Gipfels auch seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden: "Wenn man sich ansieht, dass in China die Emissionen stärker gesunken sind als in Deutschland, dann stellt das das Weltbild vieler hierzulande auf den Kopf." Viele Deutsche würden davon ausgehen, dass ihr Land Weltmeister im Klimaschutz sei, so der Experte. Dabei sind "wir das Land, das weltweit am meisten Braunkohle verbrennt."
Zwar habe Deutschland in der Energiewende in den vergangenen Jahren viel vorangebracht, auch in der internationalen Klimapolitik oft eine glänzende Rolle gespielt, so der Umweltexperte weiter: "Aber die Umsetzung in der Kohlepolitik, in der Verkehrspolitik, in der Gebäudepolitik ist schlecht bis katastrophal."
Proteste für November angekündigt
Im "Klimacamp" am Poppelsdorfer Schloss fallen die Worte des Experten auf fruchtbaren Boden. Carlotta Grohmann bereitet sich dort gerade auf die nächste Diskussionsrunde vor. "Sozialismus im 21. Jahrhundert - eine Perspektive für den Umweltschutz?" steht auf dem Programm. Die junge Aktivistin regt sich vor allem darüber auf, "dass Deutschland versucht, sich mit diesem Klimawandel als grüne Nation zu präsentieren. Dabei ist Deutschland für den höchsten CO2-Ausstoß in Europa verantwortlich." Auch sie sieht die Bundesregierung in der Pflicht: "Wenn Deutschland wirklich was für den Klimaschutz tun möchte, soll man doch einfach den Braunkohleabbau hierzulande stoppen."
Trotz des großen Organisationsaufwandes waren die vergangenen Tage für die Aktivistin ein Erfolg. Viele der Anwohner hätten sie unterstützt, einige hätten "sogar Essen vorbeigebracht". Die positive Resonanz auf ihren Protest will sie auch in den November mitnehmen: "In den zwei Wochen, in denen der Klimagipfel in Bonn stattfindet, wollen wir den Protest auf die Straße tragen. Die Proteste werden sich explizit gegen die Politik des Klimagipfels richten. Wir erwarten Demonstranten aus der ganzen Welt."
Carlotta Grohmann und ihre Mitstreiter vom Bonner Aktionsbündnis können sich sicher sein, dass sie mit ihrem Protest nicht alleine dastehen werden. Egal ob beispielsweise bei den Konferenzen in Marrakesch 2016, in Paris 2015 oder in Kopenhagen 2009: Jedes Mal protestierten zehntausende Menschen während eines Klimagipfels für eine bessere Umweltpolitik - und das unter den Augen der Weltöffentlichkeit.