Zerstörte Hoffungen im Iran
11. Mai 2018Die Hoffnungen Irans waren gewaltig, als Anfang 2016 im Rahmen des Atomabkommens die wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Land fielen. Ein Jahrzehnt verlorener Möglichkeiten schien beendet, der Ölhandel sollte wieder Fahrt aufnehmen, die marode Infrastruktur aufgebaut werden, Investitionen aus dem Ausland sollten die Basis schaffen für mehr Handel, mehr Produktion, neue Jobs.
"Die hohen Erwartungen haben sich nicht materialisiert", so die Bilanz von Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer in diesem Monat. Dabei war das Land rasant in die Zeit nach den Sanktionen gestartet und hatte 2016, dem ersten Jahr, ein Wirtschaftswachstum von 12,5 Prozent hingelegt. Danach ging es aber im alten Trott weiter: Die Wachstumsraten schwanken seither zwischen fünf und acht Prozent.
Das klingt viel, ist aber zu wenig, um genug Arbeitsplätze zu schaffen für die junge Bevölkerung. Jeder dritte Iraner unter 24 Jahren ist arbeitslos - in einem Land mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren. Bei den Frauen liegt die Arbeitslosenquote nach einer Erhebung von 2016 bei 50 Prozent, insgesamt bei 12,7 Prozent.
Schon im letzten Jahr äußerten mehr als 70 Prozent der Iranerinnen und Iraner bei einer Umfrage von IranPoll, die einfachen Leute hätten nicht vom Ende der Sanktionen profitiert.
Segen und Fluch des Öls
Profitiert hat dagegen der Ölsektor. Schon 2016 - so die Zahlen der OPEC - verkaufte der Iran rund 80 Prozent mehr Rohöl ins Ausland als im Jahr vor dem Ende der Sanktionen. Das mag ein Segen sein - ein Drittel des Staatshaushalt wird der Regierung zufolge durch Ölgeschäfte gedeckt. Es kann aber auch zum Fluch werden: Rechnet man die Ölexporte heraus, dann bleibt vom Wirtschaftswachstum im Land nicht viel.
Selbst im Boomjahr 2016 legten die Industrie und andere Wirtschaftsbereiche nur um drei bis knapp sieben Prozent zu: Die Landwirtschaft wuchs um 4,2 Prozent, der Dienstleistungssektor um 3,6 Prozent und die verarbeitende Industrie um 6,9 Prozent. Die Baubranche hingegen blieb mit minus 13,1 Prozent auf Talfahrt.
Problematisch und ein Bremsklotz für eine dynamische Entwicklung bleibt zudem der Umstand, dass die größten Unternehmen des Landes von den Revolutionsgarden, dem Militär, religiösen Stiftungen oder von Revolutionsführer Ali Chamenei kontrolliert werden.
Für ein breites Wachstum fehlt zudem an Geld. Geld für die Investitionen der Firmen, Geld für den Ausbau der Infrastruktur. Öffentliche Investitionen machen gerade einmal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Für Kredite verlangen Banken so hohe Zinsen, dass Unternehmen dringend benötigte Investitionen in neue Anlagen aufschieben.
Und im Alltag? Allein seit Dezember 2017 hat der Rial, die iranische Währung, ein Drittel an Wert verloren. Nach Schätzungen von Experten verfügt eine fünfköpfige Familie im Durchschnitt über 500 Euro pro Monat, das ist unterhalb der Armutsgrenze.
"Fast fünf Jahre nach der Wahl von Präsident Rohani ist das iranische Bankensystem weiter zahlungsunfähig", urteilte im deutschen "Handelsblatt" der Ökonom Djavad Salehi-Isfahani. Und die ausländischen Banken? Beispiel Oberbank: Die österreichische Regionalbank will nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran die Lage für ihre Geschäfte in dem Land neu prüfen.
"Nach den jüngsten Äußerungen von Präsident Trump müssen wir in eine genaue Analyse gehen", sagte ein Sprecher in dieser Woche. Die Bank hatte im Herbst laut eigenen Angaben als erstes europäisches Geldhaus nach der Aufhebung der Sanktionen ein Kreditabkommen mit dem Iran unterzeichnet. Aber bereits im November hatte Oberbank den Stecker gezogen und beschlossen, trotz der hohen Nachfrage keine Kredite zu vergeben.
"Sanktionen der Amerikaner"
Allein mit der Ankündigung, den Atomvertrag womöglich zu kündigen, hatte der US-Präsident sein Ziel schon zum Teil erreicht und das Wirtschaften im Iran und mit dem Land wieder erschwert. Jetzt gerät wieder der gesamte Zahlungsverkehr iranischer Firmen mit dem Ausland in Gefahr. Das gilt insbesondere für den Ölhandel - und es gilt unabhängig davon, ob US-Firmen beteiligt sind.
Zwar ist richtig, was Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer feststellt: "Es geht erst einmal nur um Sanktionen der Amerikaner." Aber praktisch ist jedes große Unternehmen, das auf dem Weltmarkt aktiv ist, auch an die großen Banken der Wall Street gebunden - und damit direkt in Gefahr, von amerikanischen Sanktionen getroffen zu werden.
Als "snap-back" wird zudem ein Mechanismus bezeichnet, der dazu führen könnte, dass Sanktionen, die die Vereinten Nationen ausgesetzt hatten, wieder in Kraft kommen. "Snap-back" bedeutet in diesem Fall, dass die Sanktionen jederzeit wieder aktiviert werden können, wenn die Kooperation zwischen der Atombehörde IAEO und dem Iran nicht wie erwartet funktioniert. Nach den neuen US-Sanktionen wird es schwer werden mit dieser Kooperation.
"Die Hoffnung war, dass die iranische Wirtschaft 2018 richtig durchstartet. Diese Hoffnung ist nun zerstört", sagt Volker Treier vom deutschen Branchenverband DIHK. Das gilt für die deutschen Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen - hier geht es um ein Volumen, das im laufenden Jahr die vier Milliarden Euro übersteigen sollte. Aber es gilt vor allem für die Bevölkerung im Iran, einem Land mit rund 80 Millionen Menschen.
ar/bea (rtr, dpa, DIHK, DW-Archiv)