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Zimmer: Griechen können ihre Schulden nicht zahlen

Bernd Riegert26. Januar 2015

So wie bisher könne es bei der Rettung Griechenlands nicht weitergehen, sagt die Chefin der Links-Fraktion im Europäischen Parlament, Gabi Zimmer, im Interview mit der Deutschen Welle.

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Gabi Zimmer Die Linke im Interview Archiv 2012
Bild: picture-alliance/dpa/M. Reichel

Deutsche Welle: Die radikale Linke hat die Wahlen in Griechenland gewonnen und die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt. Jetzt legt sich Syriza ausgerechnet mit den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" ins Koalitionsbett. Wie passt das denn mit ihrem linken Weltbild zusammen?

Gabi Zimmer: Ich glaube, dass angesichts der Situation in Griechenland überhaupt keine Weltbilder passen. Syriza hat knapp die absolute Mehrheit verfehlt. Sie ist darauf angewiesen, einen Partner zu finden. Viele andere haben erklärt, sie stehen nicht bereit.

Worum geht es dabei eigentlich? Die Syriza-Leute müssen ganz konkret Politik machen, und zwar für die Mehrheit. Nicht nur für die eigenen Anhänger. Es geht hier darum, eine breite Unterstützung im Volk zu organisieren. Das ist wahrscheinlich der Hintergrund.

Glauben Sie, dass der neue Ministerpräsident Tsipras seine Forderungen nach einem Schuldenschnitt und besseren Bedingungen in Brüssel tatsächlich durchsetzen kann?

Es kommt darauf an, was am Ende das Ergebnis sein wird. Wenn bei den Verhandlungen herauskommt, dass es mehr Flexibilität gibt und mehr Zeit gewonnen wird, dass die harten Auflagen, insbesondere für die Ärmsten in Griechenland nicht mehr weiter verfolgt werden, sondern dass man nach gemeinsamen Lösungen suchen, wie die Schulden letztlich getilgt werden können, dann wäre das ein riesengroßer Erfolg. Ich denke, es geht in erster Linie darum, den Menschen in Griechenland zu signalisieren, dass man nicht mehr mitmachen und zusehen wird, wie das Gesundheitssystem und andere soziale Strukturen zerschlagen werden. Das muss sich dringend ändern. Das weiß auch die Europäische Union. Das wissen die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank.

Es gibt aber Forderungen, die in der Euro-Gruppe teilweise als absurd angesehen werden, zum Beispiel der Rausschmiss der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank. Wenn ich einen Kredit habe, kann ich ja die Buchprüfer schlecht rauswerfen. Dann wäre der Kreditvertrag hinfällig. Was war davon Wahlkampf, was ist tatsächlich realistisch bei den Syriza-Forderungen?

Realistisch ist auf jeden Fall, dass man sich an einen Tisch setzt und miteinander verhandelt. Letztendlich haben ja selbst EU-Kommissionspräsident Juncker und andere erklärt, dass die Troika in dieser Form nicht mehr bestehen wird. Es ist schwierig die Europäische Zentralbank weiter in der Troika zu haben, wenn sie Maßnahmen umsetzen soll, die eigentlich politisch zu verantworten sind. Hier wird sich etwas ändern. Da bin ich mir auch seitens der EU-Kommission ziemlich sicher. Die wichtigsten Verhandlungspartner werden im Rat sitzen, also bei den europäischen Mitgliedsländern.

Herr Tsipras will mehr Steuereinnahmen von den Reichen in Griechenland generieren. Das wird wohl kaum reichen, um die Umkehr der Sparpolitik zu finanzieren. Woher soll das Geld kommen?

Mittelfristig ist das klar: Er muss die Korruption bekämpfen in Griechenland. Er muss die Leute, die sich seit Jahren vor den Steuern gedrückt haben und ihr Geld woanders hin geschafft haben, zur Kasse bitten. Das kann nur er. Es gibt keine andere politische Kraft, die das in Griechenland durchsetzen kann. Kurzfristig ist er aber gezwungen, die humanitäre Krise zu beenden. Das heißt, es muss wieder investiert werden, auch in den Aufbau eines solidarischen Gesundheitswesens und von sozialen Strukturen, die von der Samaras-Regierung weit über die Auflagen der Troika hinaus zerschlagen worden sind. Die Troika hat ja nicht verlangt, dass das gesamte Gesundheitswesen zerschlagen werden soll. Hier muss es, finde ich, ganz klare Verhandlungen geben. Und es werden natürlich auch sofort Kredite gebraucht für Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung. Dazu braucht man die Europäische Zentralbank.

Was halten Sie von Vorschlägen, die ja auch Syriza-Abgeordneten hier im Europäischen Parlament gemacht werden, eine Schuldenkonferenz einzuberufen, um Schulden abzuschreiben und irgendwie wegzuzaubern. Wie soll das funktionieren? Das werden doch die Gläubiger im Norden, also Deutschland, Frankreich und auch Italien nicht mitmachen?

Na ja, einige Griechen verweisen ja auch nicht ganz unberechtigt darauf, dass es 1953 eine Schuldenkonferenz für Deutschland gegeben hat. Da haben sich alle Beteiligten an einen Tisch gesetzt und haben gesagt, wir brauchen einen wirtschaftlichen Partner Deutschland. Deshalb muss es Bedingungen geben, dass der sich nach dem Krieg erholen kann. Dort wurden Vereinbarungen getroffen, die es ermöglicht haben, einen wirtschaftlichen Aufschwung zu nehmen. Daran hat sich Syriza nicht ganz unberechtigter Weise erinnert und hat gesagt, uns geht es ähnlich wie nach einem Krieg. Bei uns ist alles zerstört. Viele Verwaltungsstrukturen und soziale Strukturen funktionieren nicht mehr. Die Wirtschaft ist total am Boden. Dann werden wir die Schulden, die anerkannt sind, auch zurückzahlen.

Frau Zimmer, der Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg hinkt natürlich. Es gab keinen Krieg und die griechischen Regierungen haben diese Schulden ja bewusst aufgenommen. Sie wären also dafür, dass es am Ende auch deutsche Steuerzahler griechische Schulden übernehmen müssten?

Ich sehe das ein bisschen anders. Die Steuerzahler werden sehen und verstehen, dass beispielsweise ohne Lösung das gesamte Euro-System in Misskredit gerät und die Folgen mitzutragen hat, weil Griechenland die Schulden einfach nicht bezahlen kann. Es würde 50 bis 70 Jahre dauern, bis Griechenland die Schulden zurückzahlen kann. Wenn die Gläubiger Gelder zurückhaben wollen, dann ist es das Vernünftigste, sich an einen Tisch zu setzen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Die Linke hat in Griechenland einen Wahlsieg hingelegt, der sicher auch aus der Verzweiflung geboren ist. Ist das ein Signal für andere linke Parteien im Rest Europas, wie zum Beispiel "Podemos" in Spanien?

Ich denke schon, zumal für Parteien wie Podemos, die sich auf eine sehr breite Basis stützen können. Das interessante an diesem Wahlergebnis ist ja, dass nicht nur die, die zum harten Kern von Syriza schon seit Jahren gerechnet werden, mobilisiert wurden. In Griechenland wurden viele mobilisiert und haben sich in den Wahlkampf eingebracht, weil sie selbst erfahren haben, dass es dringend notwendig ist, die sozialen Strukturen wieder aufzubauen. Bei Podemos in Spanien kann man schon gewisse Vergleiche ziehen, wenngleich die politische Ausrichtung bei Podemos noch viel offener ist und noch nicht so richtig klar ist, in welche Richtung Podemos im Wahlkampf dann gehen wird. Es wird sicher noch in den nächsten Wochen und Monaten in Spanien noch sehr spannend werden.

Gabi Zimmer (59) ist die Vorsitzende der linken Fraktion im Europäischen Parlament. Die griechische Syriza gehört seit den Europawahlen im Mai 2014 dieser Fraktion an. Gabi Zimmer war in der DDR Mitglied der SED, nach der Wende Landtagsabgeordnete in Thüringen und Bundesvorsitzende der SED-Nachfolgerin PDS. Seit 2004 ist die gelernte Dolmetscherin für Russisch und Französisch Europaabgeordnete.