Zschäpes Alt-Verteidiger fordern Freilassung
5. Juni 2018"Beate Zschäpe ist keine Mörderin, keine Terroristin und keine Attentäterin", sagt Wolfgang Heer zum Auftakt seines Plädoyers vor dem Oberlandesgericht München. Zugleich verlangt Heer die sofortige Freilassung seiner Mandantin, die seit sechs Jahren und sieben Monaten in Untersuchungshaft sitzt, und spricht damit auch für seine Pflichtverteidiger-Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Mit seiner Forderung setzt sich Heer zum Abschluss der Plädoyers der Verteidigung massiv von seinen Kollegen Mathias Grasel und Hermann Borchert ab, die im April eine maximale Strafe von zehn Jahren für Zschäpe gefordert hatten.
Pikanterweise genießen Grasel und Borchert - im Gegensatz zu Heer - das Vertrauen der Hauptangeklagten im Strafverfahren gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Heer, Stahl und Sturm vertreten Zschäpe seit Prozessbeginn im Mai 2013. Sie hatten ihrer Mandantin geraten, zu den ihr gemachten Vorwürfen zu schweigen. Im Sommer 2015 überwarf sich Zschäpe mit ihren Pflichtverteidigern. Seither lässt sie sich zusätzlich von Grasel und Borchert verteidigen.
Die Bundesanwaltschaft wirft der mutmaßlichen Rechtsterroristin zehnfachen Mord, zwei Bomben-Anschläge und 15 Raubüberfälle vor. In ihrem Schlusswort hatte sie für Zschäpe lebenslange Haft bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Ihre Verteidiger Borchert und Grasel plädierten für maximal zehn Jahre Freiheitsentzug.
Nur Brandstiftung zugegeben
Heer hält der Bundesanwaltschaft nun vor, eine "monströse" Anklage verfasst zu haben. "Frau Zschäpes Schuld schien unverrückbar festzustehen." Er frage sich, warum sie sich "entlasten" solle, wenn sie doch unschuldig sei. Vom Vorwurf der heimtückischen Morde sei seine Mandantin freizusprechen. Sie habe keine Morde geplant, habe keine Waffen beschafft, an den Taten insgesamt nicht mitgewirkt und die Verbrechen ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt "auch nicht vom Küchentisch gesteuert".
Lediglich wegen "einfacher Brandstiftung" sei sie zu verurteilen. Dies ist alles, was von der Anklage des Generalbundesanwalts übrig bleibe. Zschäpe hatte Ende 2015 zugegeben, die zuletzt vom NSU genutzte Wohnung in Zwickau am 4. November 2011 in Brand gesteckt zu haben. An diesem Tag war die Terrorgruppe nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach aufgeflogen. Zschäpes Weggefährten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nahmen sich damals mutmaßlich das Leben.
Das letzte Plädoyer dauert noch mindestens bis Donnerstag
Heer verzichtet in seinem Plädoyer zwar auf eine konkrete Strafmaßforderung. Unter Verweis auf die lange Untersuchungshaft hält er eine mögliche Strafe allerdings bereits für abgegolten und fordert deshalb Zschäpes sofortige Freilassung. Die Begründung dafür wird noch mindestens bis Donnerstag dauern. Nach Heer werden noch seine Kollegen Stahl und Sturm begründen, warum sie Beate Zschäpe für weitgehend unschuldig halten.
Mit einem milden Urteil für Zschäpe rechnet Heer allerdings nicht. Dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl wirft er vor, "uns absichtlich kalt gestellt" zu haben. Damit meint er sich, Stahl und Sturm. Der Vorwurf bezieht sich auf die Umstände, unter denen nach seiner Darstellung Grasel und Borchert in den NSU-Prozess eingestiegen sind. Borchert habe Zschäpe dutzende Male im Gefängnis besucht und sich ohne Aktenkenntnis entschlossen, die Verteidigungsstrategie zu ändern.
"Sie haben uns vorsätzlich hintergangen"
Von Zschäpes überraschender Aussage am 9. Dezember 2015 wollen die Alt-Verteidiger zwei Tage vor dem Termin aus der Presse erfahren haben. "Herr Richter Götzl, Sie haben uns vorsätzlich hintergangen", behauptet Heer. Götzl habe Gespräche mit einem Rechtsanwalt geführt, "der zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Verfahrensbeteiligter war". Der so heftig Gescholtene macht sich, wie gewohnt, die ganze Zeit über Notizen. Die, um deren Verteidigung es geht, lässt sich äußerlich gar nichts anmerken: Beate Zschäpe blickt unentwegt auf ihr Notebook.