Zu hoch gepokert
31. Juli 2014Steckt man die argentinische Regierung und die amerikanischen Hedgefonds, die argentinische Staatsanleihen zu Ramschpreisen erworben haben, in einen Sack und haut mit dem Knüppel drauf, kann man sicher sein: Man trifft immer den Schuldigen. Denn beide Seiten haben in dieser traurigen Angelegenheit zu hoch gepokert, ohne Rücksicht auf Verluste versucht, die eigenen Interessen durchzusetzen - und im Ergebnis nur verbrannte Erde hinterlassen.
Zunächst die Hedgefonds. Eine ihrer Geschäftsstrategien ist es, Staatsanleihen armer Länder auf dem sogenannten Sekundärmarkt zu Ramschpreisen zu erwerben. Wer einen Schuldtitel, der nominal auf hundert Millionen Dollar lautet, für eine Million Dollar erwerben kann, der erfährt über diesen Preis auch, wie hoch der Markt das Risiko eines Totalverlustes einschätzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann der Nominalbetrag tatsächlich ausgezahlt wird, sehen die Marktteilnehmer bei eins zu hundert.
Was die Hedgefonds nicht daran gehindert hat, ein Heer von Rechtsanwälten zu beschäftigen, sich an einen 84jährigen New Yorker Richter zu wenden und scheinheilig auf die Auszahlung des Nominalbetrages zu pochen - man kann es ja zumindest mal probieren. Der Preis dieser Anleihen hat ihnen ja signalisiert, wie hoch das Risiko eines Totalverlustes ist. Sie wären also selbst schuld, wenn sie auf ihren Forderungen sitzen blieben, die nominal auf 1,3 Milliarden Dollar lauten.
Andererseits muss man auch der argentinischen Regierung vorhalten, dass sie ohne Rücksicht auf ihre Reputation an den Finanzmärkten ein Pokerspiel begonnen hat, das nun zum dritten Mal innerhalb weniger Jahrzehnte eine Staatspleite heraufbeschwört. Sie hätte nämlich, wenn auch sicher mit knirschenden Zähnen, die Hedgefonds auszahlen können.
Finanziell wäre das kein Problem gewesen, denn die Mittel dazu hat die argentinische Regierung sehr wohl. Doch lieber hat die Regierung Kirchner auf eine Doppelstrategie gesetzt. Der eine Teil der Strategie lautet, sich zum Opfer der böswilligen Geierfonds hochzustilisieren. Alle anderen Gläubiger haben seinerzeit einer Umschuldung zugestimmt und auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen verzichtet. Und nun hindert ein New Yorker Richter die redliche Regierung in Buenos Aires daran, ihren Verpflichtungen gegenüber diesen Gläubigern nachzukommen: "Seht her, wir sind unschuldig", lautet das Signal aus der argentinischen Hauptstadt.
Und um diesen Eindruck, man sei unschuldig das Opfer von Geiern und /oder wahlweise der amerikanischen Justiz geworden, noch zu verstärken, schiebt die Regierung noch ein technisch-juristisches Argument hinterher, die so genannte RUFO-Klausel. Damit sollen angeblich alle umgeschuldeten Anleihen ausgestattet sein. Sie verbietet eine freiwillige Besserstellung anderer Gläubiger. Zahle man die Hedgefonds aus, so argumentiert die Regierung, dann wären bei den anderen Gläubigern nicht mehr die umgeschuldeten 15 Milliarden Dollar, sondern die ursprünglichen 120 Milliarden Dollar fällig, und das sei dann eine richtige Staatspleite.
Argentinien hat zu hoch gepokert, sagen jetzt viele Experten. Sie bezweifeln, dass die RUFO-Klausel in allen Anleihen steckt, und wenn ja, ob sie überhaupt wirksam wäre. Denn ein Richterspruch aus New York kann schlecht als freiwillige Besserstellung interpretiert werden.
Nun aber steht die Regierung in Buenos Aires vor einem Scherbenhaufen. Die Opferrolle mag ihr keiner so recht glauben, man hätte die ganze Angelegenheit für 1,3 Milliarden Dollar erledigen und sich damit auch die Reputation an den internationalen Finanzmärkten erhalten können. Nun aber ist man technisch zahlungsunfähig, die Ratingagenturen stufen Argentiniens Kreditwürdigkeit auf nahe Null zurück. Die Zinsen werden steigen, die Rezession wird sich verschärfen, der argentinische Peso ist immer weniger wert. Mit anderen Worten: der Verlierer dieses Pokers ist der argentinische Bürger und Steuerzahler. Und das wird er merken - auch wenn er heute noch den heldenhaften Kämpfern gegen die so genannten Geier Beifall klatscht.