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Politik

"Politischen Druck auf Russland ausüben"

Irina Chevtayeva
20. April 2017

In der russischen Teilrepublik Tschetschenien werden Homosexuelle laut Medienberichten von den Sicherheitsorganen verhaftet und gefoltert. Viele fliehen. Sören Landmann kündigt im DW-Interview Hilfe aus Deutschland an.

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LGBT-Aktivisten sammeln sich vor der russischen Botschaft
Proteste von LGBT-Aktivisten vor der russischen Botschaft in Berlin am 8. April 2017Bild: picture alliance/ZUMAPRESS/J. Scheunert

Deutsche Welle: Herr Landmann, warum hat sich Ihr Aktionsbündnis gegen Homophobie für eine Spendenaktion "Tschetschenien" entschieden?

Sören Landmann: Es gab wirklich sehr dramatische Berichte über die Situation in Tschetschenien, die sich auch sehr schnell als real herausgestellt haben. Wir waren uns direkt bewusst, dass den Opfern und ihren Familien geholfen werden muss. Nach Einschätzung der Menschenrechtler vor Ort gibt es keine andere Möglichkeit, als die Evakuierung der Opfer. Es war schnell klar, dass das teuer werden würde, weil es nicht nur darum geht, die Menschen kurzfristig zu versorgen und unterzubringen, sondern auch darum, ihnen langfristig ein einiger Maßen sicheres Leben zu ermöglichen.

Die Organisationen, die sich dort jetzt stark involviert haben, wie zum Beispiel das "Russian LGBT Network", erhielten bereits in der Vergangenheit einige Unterstützung. Für so eine Mammutaufgabe sind ihre finanzielle Ressourcen aber natürlich nicht ausreichend. Von daher war uns klar, dass hier internationale Solidarität ganz wichtig ist. Und dann haben wir uns gemeinsam mit dem Projekt "Enough is Enough! Open your Mouth!" entschieden, die Spendenaktion zu machen.

Sören Landmann, Aktionsbündnis gegen Homophobie
Sören Landmann vom Aktionsbündnis gegen HomophobieBild: privat

Wie viel Geld haben Sie schon gesammelt?

Eine absolute Spendensumme kenne ich gerade nicht, da ich nicht der Schatzmeister unseres Vereins bin. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir sehr erfreut sind über den Rücklauf und die Tatsache, wie viele Menschen sich wirklich beteiligen. Und wir haben alles dabei: von fünf Euro bis 500 Euro. Es gibt viele kleinere Spenden in Höhe von 20, 30 oder 40 Euro. Jeder gibt eben so viel wie er kann. Insgesamt sind wir im niedrigen fünfstelligen Bereich der Spendensumme angekommen.

In Tschetschenien scheint es zurzeit eine reale staatliche Verfolgung zu geben und die lokalen Behörden sind offensichtlich in gezielte konzentrierte Aktionen gegen Menschen involviert, die schwul sind oder auch nur lediglich als schwul gelten. Das ist sehr erschreckend und schon ziemlich einmalig in der jüngeren Geschichte. Von manchen Seiten wurde dies deshalb auch als Schwulen-Genozid betitelt.

Helfen Sie auch mit anderen Mitteln?

Wir haben momentan diese Spendenaktion, aber wir werden zeitnah zusammen mit Quarteera und weiteren Organisationen gemeinsam politischen Druck aufbauen. In Kürze werden wir die Politik noch einmal adressieren, denn neben der finanziellen Hilfe ist ein ganz wichtiger Faktor auch politischer Druck auf  Russland. Wir haben von Menschenrechtsaktivisten aus Russland gehört, dass, als Tschetschenien so stark in den Fokus rückte, zumindest die Tötungen ausgesetzt wurden. Das ließ die Aktivisten vor Ort vermuten, dass ein erhöhter politischer Druck eher positive als negative Auswirkungen haben würde. Deswegen gab es dann verschiedene Aufrufe von verschiedenen deutschen Organisationen, die sowohl das Auswärtige Amt als auch verschiedene andere Institutionen dazu aufgerufen haben, in Russland zu intervenieren. Und diese Art der Arbeit werden wir auf jeden Fall noch einmal intensivieren.

Für uns ist es wichtig, dass sich Politiker aus Deutschland ganz klar und deutlich positionieren - gerne auch öffentlich. Noch wichtiger aber ist, insbesondere in Gesprächen mit russischen Entscheidungsträgern, klar zu machen, dass hier ganz klar rote Linien überschritten werden und es deswegen von höchster Notwendigkeit ist, dass die Führungsspitze Russlands in Tschetschenien selbst interveniert. Jedem ist klar, dass der Kreml Einwirkungsmöglichkeiten auf Tschetschenien hat.

Sie haben von einer dringend notwendigen Evakuierung der Opfer und ihrer Familien gesprochen. Geht es auch darum, dass sie nach Deutschland evakuiert werden können?

Das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Die Situation in Sankt Petersburg oder Moskau ist mit Sicherheit besser ist als in Tschetschenien, aber die Gesamtsituation in Russland ist leider auch nicht völlig unkompliziert. Der Weg über ein Asylverfahren von Russland nach Deutschland zu kommen, scheint sehr hart zu sein, weil es in dem Land keine offizielle staatliche Verfolgung gibt. Aber die gesellschaftliche Situation ist ganz anders und es kann sehr leicht lebensgefährlich sein, öffentlich zu seiner sexuellen oder geschlechtlichen Identität zu stehen. Das wird in den Asylverfahren in der Regel nicht ausreichend berücksichtigt.

Aus meiner Sicht sollte es natürlich Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, ermöglicht werden, Asyl in einem Land zu beantragen, in dem sie dann sicher sind. Deutschland ist schon ein Land, von dem wir uns mehr Einsatz in dieser Hinsicht wünschen würden.

Sören Landmann ist Vorsitzender des Vorstands des Aktionsbündnisses gegen Homophobie e.V. in Berlin.

Das Gespräch führte Irina Chevtayeva