Zu viel Stickstoff - EU ermahnt Bundesregierung
8. Juli 2015Nicht erst seit heute, sondern seit dem 14.Januar dieses Jahres hat es die Bundesregierung schwarz auf weiß. An diesem Tag präsentierte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sein Gutachten mit dem Titel: "Stickstoff - Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem."
Die Gutachter bezogen sich auf die Umweltschäden, die auf zu hohe Einträge von Nährstoffen aus der Landwirtschaft und auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurückzuführen sind. Stickstoffgase, die bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff entstehen, reizen die Atemwege und verursachen Kreislauferkrankungen. Der Bericht fordert die Verminderung der fossilen Verbrennung und damit eine Stickstoffreduktion im Hinblick auf die geplante Energiewende.
Sachverständigenrat informierte EU-Kommission
Da der Sachverständigenrat das Dokument auch nach Brüssel schickte, hat die dort ansässige EU-Kommission nun reagiert. Sie hat die Große Koalition in einem Mahnschreiben gerügt und erwartet eine Stellungnahme bis Ende August. Außerdem fordert Brüssel Deutschland auf, ausreichende Maßnahmen zur Reduzierung der Belastung durch das gesundheitsschädigende Gas zu ergreifen.
Grundlage der Kritik sind Messungen, die regelmäßige Überschreitungen der Stickstoff-Grenzwerte in deutschen Städten und in Ballungsräumen dokumentieren. Zu den Regionen zählen Stuttgart, Köln, Berlin, München, Kassel, Hagen und Mainz. Der Grenzwert gilt zwar seit zehn Jahren. Aber Abgastests haben immer wieder gezeigt, dass diese nicht eingehalten werden.
Ländersache und Appell an Autobauer
Sollte die Bundesregierung nicht entsprechend reagieren, droht Brüssel mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, um Deutschland zur Einhaltung des europäischen Rechts zu zwingen.
Die Bundesregierung hat der Kommission bereits mitgeteilt, sie rechne in 23 der insgesamt 33 betroffenen Gebiete nicht vor dem Jahr 2020 mit einer Einhaltung des NO2-Grenzwerts und lehnt damit die Verantwortung ab.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sieht die Schuldigen nicht in Berlin, sondern in der Industrie: "Die Automobilhersteller stehen in der Pflicht, bei der Fahrzeugkonzeption Mobilität und Gesundheitsschutz besser zu vereinbaren." Denkbar sei auch die entsprechende Fortentwicklung der Umweltzonen. Darüber führe das Ministerium Gespräche mit den Bundesländern, die für die Einhaltung der Grenzwerte für Luftqualität verantwortlich sind. Ziel sei es, Fahrzeuge mit hohen Emissionen aus den Innenstädten zu verbannen. Denn auch die Bewohner von Städten hätten ein Anrecht auf saubere Luft, sagte der Ministeriumssprecher.
Kein Anreiz für Verbraucher zum Spritsparen
Die vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie des CAR-Centers der Uni Duisburg-Essen ergab, dass Neuwagen in Deutschland immer PS-stärker werden. Bereits jede fünfte Neuzulassung sei ein schwerer Geländewagen (SUV). Auch Limousinen mit hoher Motorleistung und dementsprechend höherem Spritverbrauch liegen im Trend. Begünstigt wird die Entwicklung durch die aktuell niedrigen Kraftstoffpreise.
Sie durchkreuzt die Bemühungen um eine Senkung der Emissionen durch Autos. Auch umweltfreundliche Fahrzeuge mit Elektroantrieb oder Erd- oder Flüssigas-Antrieb haben das Nachsehen.
Die EU-Kommission indes fordert kein Verbot für Dieselfahrzeuge. Es sei Sache der einzelnden Mitgliedsstaaten, welche Maßnahmen sie gegen die Umweltverschmutzung ergreifen. Nach Angabe des Bundesumweltministeriums werden die NO2-Grenzwerte auch in den EU-Staaten Portugal, Italien, Großbritannien, Spanien und Frankreich überschritten.