Zum Saisonstart Spitze
17. August 2019Im Westfalenstadion gab es gleich mehrere Neuerungen, als die Bundesliga für die neue Saison nach Dortmund zurückkehrte. Unterhalb der berühmten "Gelben Wand", der größten Stehplatz-Tribüne Europas, waren in den Sommermonaten kreative Fans damit beschäftigt gewesen, die Eingangsbereiche des Stadions mit Graffiti, Wandmalereien und anderen Kunstwerken zu gestalten und damit ihrer Stadt und ihrem Klub Tribut zu zollen.
Darüber hinaus hatten die Hardcore-Ultras befunden, dass während die Mannschaft in der vergangenen Saison zwar sehr gut gespielt hatte, die Atmosphäre bei Heimspielen aber nicht so optimal war. Und so verteilten sie sich dieses Mal auf der gesamten Steh-Tribüne, um den Geräuschpegel zu erhöhen.
Und auch in der Umkleidekabine und auf Vorstandsebene hatte es einen deutlichen Kurswechsel gegeben: Dortmund nahm kein Blatt vor den Mund und definierte sein Saisonziel klipp und klar: Wir wollen die Bundesliga gewinnen.
Das Selbstvertrauen in Dortmund ist groß
"Wir sind um 18 Uhr an der Spitze der Liga", hatte vor Spielbeginn ein Fan vom Rücksitz einer Fahrrad-Rikscha vor der Kneipe der Klublegende Kevin Großkreutz in der Innenstadt gerufen - voller Selbstvertrauen, nachdem Hertha Berlin am Vorabend dem FC Bayern München ein 2:2-Unentschieden abgetrotzt hatte.
Und warum auch nicht? Nachdem Dortmund in der vergangenen Saison nur zwei Punkte hinter den Bayern zurücklag, hat es sich in diesem Sommer schnell auf dem Transfermarkt durchgesetzt, um Nico Schulz, Thorgan Hazard, Julian Brandt und Mats Hummels zu gewinnen. Letzterer kehrte nicht unumstritten vom FC Bayern München zum BVB zurück, um die Abwehr mit seiner dringend benötigten Erfahrung zu verstärken.
"Was auch immer die sportlichen Vorzüge des Transfers sind, es wird niemanden überraschen, zu erfahren, dass wir es auch ohne seine Rückkehr geschafft hätten", schrieben die Ultras, so unerbittlich wie immer, in ihrem Spieltagsflyer.
Sie haben dem ehemaligen Kapitän die Art und Weise seiner Abreise vor drei Jahren nicht verziehen. Andere Fans aber anscheinend schon, und so wurde Hummels' Name genauso laut mitgeschrieen wie der jedes anderen Spielers, als die Dortmunder Aufstellung - unverändert zum 2:0-DFB-Pokal-Sieg gegen den KFC Uerdingen in der vergangenen Woche - vorgelesen wurde.
Schwächen in der Defensive
Das Motto in Dortmund hieß: Hier beginnt der Titelkampf. Aber bei all den Neuerungen und dem neu gewonnenen Vertrauen ändern sich einige Dinge nie. Zum einen das bescheidene Wetter im Ruhrgebiet, zum anderen die katastrophale Dortmunder Verteidigung.
Diese kostete den BVB in der vergangenen Saison einen Neun-Punkte-Vorsprung und den ersten Ligatitel seit 2012. Und es dauerte nur 31 Sekunden, bis es wieder los ging: 1:0 durch Florian Niederlechner.
Es war nicht das erste Mal, dass Dortmund beim Bundesligastart in den Rückstand geriet: Vor zwölf Monaten erzielte Jean-Kevin Augustin für den RB Leipzig in der ersten Spielminute die Führung. Vor fünf Jahren brauchte Karim Bellarabi nur neun Sekunden, um für Bayer Leverkusen zu treffen. Einige Dinge ändern sich eben nie.
Hinten mau, vorne top
Glücklicherweise hat der BVB stark in eine ohnehin schon beachtliche Offensive investiert und war innerhalb von drei Minuten wieder im Rennen. Jadon Sancho, der beste Vorlagen-Geber der vergangenen Bundesliga-Saison, machte genau da weiter, wo er letzte Saison aufgehört hatte: Er setzte Marco Reus in Szene, dessen Zuspiel Paco Alcacer eiskalt verwandelte.
Nach der Halbzeitpause drehte der BVB in nur acht Minuten das Spiel. Sancho, Reus und Alcacer trafen, nachdem eine schwarz-gelbe Angriffswelle nach der nächsten in Richtung Augsburger Tor geschwappt war. Auch hier ändern sich einige Dinge nie.
Trotz des 5:1 (1:1)-Auftaktsiegs verfiel Michael Zorc nach der Partie nicht in Euphorie. "Es war wichtig, dass wir schnell ausgleichen konnten", sagte der BVB-Sportdirektor, der sich ganz klar auf die ersten drei Minuten konzentrierte und das anschließende Torfestival ignorierte. "Alles in allem ist es ein guter Anfang. Nichts weiter."
Um 18 Uhr an der Spitze
Zorc hatte Recht, sich nicht mitreißen zu lassen. Er - und alle anderen - wissen, wie gefährlich Dortmund offensiv ist; 81 Bundesliga-Tore in der vergangenen Saison zeugen davon. Und bei allem Respekt, es wird wahrscheinlich nicht das einzige Mal sein, dass Augsburg in dieser Saison viele Tore einstecken muss. Die BVB-Probleme liegen auf der anderen Seite, der Abwehr - und es werden weitaus härtere Tests kommen.
Doch als Debütant Julian Brandt die Toranzahl in der Endphase auf fünf schraubte, schien das keine Rolle zu spielen. Der Fan auf der Fahrrad-Rikscha hatte es richtig prophezeit: Borussia Dortmund war um sechs Uhr an der Spitze der Liga.
Aber wenn sie bis Mai dort bleiben wollen, sollten sie wissen, dass sich noch ein paar weitere Dinge ändern müssen.