Welterbe-Studium in Cottbus
23. August 2010Es ist Präsentationstag. Die Studentin Iva steht vor einer winzigen Leinwand im Seminarraum. Vor ihr an den Tischen der Dozent und junge Menschen, die offenkundig aus der ganzen Welt stammen. Iva ist 25 Jahre alt, stammt aus Kroatien, und ihr Thema ist die historische Wasserversorgung von Dubrovnic.
Nach Ivas Vortrag stellt ihre chinesische Kommilitonin ein antikes Wasserleitungssystem in ihrer Heimat vor, und eine japanische Kommilitonin demonstriert anhand von Videos, wie man Häuser in Japan erdbebensicher bauen kann. Ein ganz normaler Studientag an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus. "Man lernt über die Welt", sagt Iva begeistert. "Keiner kann einem wirklich die Architekturgeschichte der ganzen Welt erklären. Aber mit der Hilfe der Studenten klappt es."
Studierende aus aller Welt in Cottbus
Die ganze Welt trifft sich ausgerechnet in Cottbus, einem kleinen Ort nahe der polnischen Grenze. Aus ganz praktischen Gründen, sagt die Chilenin Christin. Es ist nun einmal die einzige Möglichkeit in Deutschland, etwas in Richtung Kulturerbe zu studieren. "Ich habe im Internet nach Studiengängen gesucht, die etwas mit Weltkulturerbe zu tun haben. Es gab einen in Irland, einen in Australien, einen in Japan und einen in Deutschland. Und da ich weder Japanisch spreche noch unbedingt nach Australien wollte, habe ich gedacht: Okay!" So kam Christin nach Cottbus.
Christin und ihre Kommilitonen studieren "World Heritage Studies". Als die BTU den Studiengang 1999 einrichtete, war er der einzige weltweit. Heute gibt es rund zehn Welterbe-Studienangebote rund um den Globus. Doch in Deutschland ist der Cottbusser Studiengang noch immer der einzige.
Nach wie vor der einzige Welterbe-Studiengang in Deutschland
Die Idee zu dem einzigartigen Studienangebot sei durch verschiedene Kooperationen der BTU mit dem Welterbe-Zentrum der UNESCO in Paris entstanden, sagt Marie-Theres Albert, BTU-Professorin und frühere Leiterin des Masterstudienganges. Und auch heute funktioniere die Zusammenarbeit mit der UNESCO, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, sehr gut, sagt Marie-Theres Albert. Nicht selten ergibt sich aus einer wissenschaftlichen Frage der UNESCO eine Masterarbeit für einen BTU-Studenten.
Handverlesene Studierende
Vier Semester dauert das Masterstudium, komplett in englischer Sprache. Wer hier studieren möchte, muss bereits einen Studienabschluss in der Tasche haben. Und seiner Bewerbung ein überzeugendes Motivationsschreiben beilegen. Die Studierenden in Cottbus sind quasi handverlesen. Und so unterschiedlich wie ihre Nationalitäten, so unterschiedlich sind auch ihre Fachgebiete. Die Kroatin Iva zum Beispiel hat Tourismus studiert. "Manche haben einen Architekten-Hintergrund, viele haben auch einen kulturellen Hintergrund, einige orientieren sich eher in Richtung Natur. Und jeder hat den gleichen Anteil an Sozialwissenschaften, aber das ist recht locker", sagt Iva.
Die Dozenten der Cottbusser "World Heritage Studies" stammen dem entsprechend aus sämtlichen Fakultäten der Brandenburgischen Technischen Universität und halten – auch das ist ungewöhnlich im ostdeutschen Bundesland Brandenburg – sämtliche Vorlesungen und Seminare in Englisch. "Also das ist einer der strahlenden Sterne der BTU. Das kann man ohne Arroganz so sagen", so Professor Jörg Kühn, Leiter des Welterbe-Studiengangs. Formal ist der Studiengang an seinen Architekturlehrstuhl angekoppelt. Die Studenten lernen aber zum Beispiel auch Grundlagen der Ökonomie und des internationalen Rechts.
International, interkulturell und interdisziplinär
Der Lehrplan des Welterbe-Studiums ist dicht. Doch die Mühe lohnt sich. Der Abschluss ist international anerkannt. Und er garantiere einen guten Job, sagt Jörg Kühn. Er freut sich jedes Mal aufs Neue, wenn er sieht, was seine ehemaligen Studierenden heute beruflich machen: "Das geht von Jobs bei der UNESCO in Paris bis hin zu leitenden Funktionen in Denkmalpflege und Weltkulturerbe in ihren Heimatländern. Also ein Spektrum, wie es bunter nicht sein könnte."
So etwas Ähnliches stellt sich auch Iva vor. Sie will nach dem Studium wieder nach Kroatien gehen und dort eine leitende Stelle im Tourismus übernehmen. Wenn die UNESCO ihr aber einen Platz in der Pariser Zentrale anbieten sollte, dann wird sie vermutlich auch nicht nein sagen.
Autoren: Sascha Erler/Svenja Üing
Redaktion: Gaby Reucher