Zur Sicherheit von Passagierschiffen
29. Dezember 2014Seit wann gibt es Konventionen zur Schiffssicherheit?
Die erste Konvention entstand unter dem Eindruck des Untergangs der RMS Titanic im Jahr 1912. Im November 1913 wurde eine internationale Konferenz einberufen, die einen internationalen Mindeststandard für die Sicherheit auf See schaffen sollte. Dort entstand die erste Version des "Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See". Das Übereinkommen wurde mehrfach überarbeitet. Seit 1960 liegt die Verantwortung für das Abkommen bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation ("International Maritime Organization", IMO). Derzeit gilt die "International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS) aus dem Jahr 1974 mit einem Ergänzungsprotokoll vom 1. Januar 20113
Wie werden Sicherheitsbestimmungen juristisch geregelt?
1993 erließ die Internationale Seeschifffahrts-Organisation den "International Management Code for the Safe Operations of Ships and for Pollution Prevention" (ISM-Code, "Internationaler Code für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs und zur Verhütung der Meeresverschmutzung"). Dieser definiert die Maßnahmen, um einen sicheren Schiffsbetrieb zu gewährleisten. Die Eigentümer und Betreiber sind verpflichtet, die Bestimmungen des Codes durchzusetzen und die Einhaltung zu überprüfen. Der Staat, unter dessen Flagge das jeweilige Schiff fährt, beauftragt in der Regel eine anerkannte Klassifikationsgeselllschaft, die Einhaltung der Bestimmungen zu überprüfen. Die Überprüfung der vor Griechenland in Seenot geratenen "Adria Norman Atlantic" lag gerade fünf Monate zurück.
Wann beginnt die Überprüfung, und was genau wird überprüft?
Die Überprüfung beginnt bereits mit dem Schiffsbau. Die beauftragte Klassifizierungsgesellschaft überprüft sämtliche Baumaterialien und Komponenten und wacht über den Bau auf der Werft. Ist das Schiff fertig wird sämtliche Rettungs- und Sicherheitstechnik getestet. Sobald es freigegeben ist, wird es durch die Klassifizierungsgesellschaft jährlich überprüft. Auf diese Weise wird der Zustand des Schiffes konstant dokumentiert.
Was geschieht nach der Überprüfung?
Erfüllt ein Schiff alle Anforderungen, stellt die verantwortliche Hafenstaatkontrolle ein Dokument der Klasse "A" aus. Weist das Schiff Defizite auf, werden diese in dem Untersuchungsbericht - ebenso wie die notwendigen Maßnahmen zur Behebung - genannt. Die Daten des Schiffes und das Untersuchungsergebnis werden im Anschluss an eine in Lissabon geführte zentrale elektronische Datenbank übermittelt. Erfüllt ein Schiff die Sicherheitsanforderungen nicht, haben die örtlichen Behörden das Recht, das Schiff an der Ausfahrt zu hindern. Nach dem Unglück des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia haben sich zahlreiche große Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften zu einer verschärften freiwilligen Selbstkontrolle verpflichtet und die Sicherheitsstandards noch einmal erhöht.
Wie werden die einzelnen Staaten, unter deren Flagge die Schiffe fahren, auf ihr Sicherheitsniveau überprüft?
Dies geschieht durch die Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle. Diese wurde auf Initiative Frankreichs nach dem Untergang des Öltankers "Amoco Cadiz" 1978 vor der bretonischen Küste ins Leben gerufen. Derzeit haben 27 Staaten dieses Memorandum unterzeichnet. Die Organisation erstellt jährlich "weiße", "graue" und "schwarze" Listen, auf denen das Sicherheitsniveau der einzelnen Staaten dokumentiert ist. Die jüngste, im Juli veröffentlichte Liste, attestiert Frankreich die sichersten Schiffe. Es folgen Norwegen, Schweden und Dänemark. Deutschland rangiert auf Platz neun. Auf den letzten Rängen stehen der Inselstaat Dominica, Honduras und die Republik Tanzania.
Wie viele Passagierschiffe sind in den vergangenen Jahren untergegangen?
Der Versicherungskonzern "Allianz Global Corporate & Specialty" hat für die Jahre 2001 – 2012 den Verlust von insgesamt 90 Passagierschiffen dokumentiert. Diese müssen allerdings nicht alle untergegangen sein. Die Zahl sagt nur etwas über den endgültigen Ausfall dieser Schiffe. Die Verluste sind in den letzten acht Jahren signifikant gefallen. Gingen bis zum Jahr 2006 immer etwas mehr als zehn Schiffe verloren, so waren es in den vergangenen sechs Jahren jeweils sechs Schiffe jährlich, die abgeschrieben wurden.
Wie lang dauert die durchschnittliche Evakuierung, wenn ein Schiff unterzugehen droht?
Dem SOLAS-Abkommen zufolge müssen die Rettungsboote in der Lage sein, spätestens 30 Minuten, nachdem der Kapitän ein entsprechendes Signal gegeben hat, die Passagiere aufzunehmen und zu Wasser gelassen werden. Innerhalb dieser Zeit müssen sie auch einen hinreichenden Sicherheitsabstand zu dem in Seenot geratenen Schiff erreicht haben. Seit 2002 müssen Kreuzfahrtschiffe innerhalb von 80 Minuten vollständig evakuiert sein. Die Havarie der "Norman Atlantic" vor der griechischen Küste zeigt aber, dass diese Frist unter ungünstigen Umständen um ein Vielfaches überschritten wird.