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Zurück in die Zukunft?

1. Februar 2014

Mars One heißt eine Mission, die plant, dass Menschen zum Mars fliegen. Was nach einem Abenteuer klingt, bedeutet aber auch, die wahren Abenteuer zu versäumen, wie Klaus Möllering für die evangelische Kirche beschreibt.

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Rentner auf einer Bank
Bild: Fotolia/farbkombinat

Ein Flug zum Mars ohne Wiederkehr

„Gibt es was Neues?“ fragt meine Frau, als sie neulich zum Frühstück kommt. Ich tauche raschelnd hinter der Zeitung hervor. „Vier Leute sollen auf den Mars geschossen werden. Und da werden sie für den Rest ihres Lebens dann bleiben. Die Rakete kann sie zwar dort hinbringen. Aber um sie zurück zu fliegen, würde sie sonst zu groß und zu teuer. Ein One- Way-Ticket zum Mars, sozusagen.“

„Na, das wär doch wirklich mal was Neues!“, findet meine Frau. „Da sind sie ja wirklich alles los: Kein Schneeschippen mehr, kein Verkehrsstau, keine Steuern, überhaupt: Keine einzige Rechnung mehr.“

„Aber auch keine Zeitung zum Frühstück“, wende ich ein. „Und jeden Tag nur die gleichen drei Gesichter vor Augen. Kein Urlaub, kein Shoppen, kein Tapetenwechsel – nur Sand, Steine und Sterne.“

„Vielleicht was für ein paar Einsiedler?“ vermutet meine Frau. „Ein paar, die alles hinter sich lassen und noch mal ganz neu anfangen wollen?“

„Überhaupt nicht“, lese ich ihr vor. „200 000 Leute haben sich schon dafür gemeldet. Eine holländische Stiftung hat sich das ausgedacht. Jetzt haben sie die erste Auswahl getroffen. An die 4000 Leute sind in der engeren Wahl. So viele Einsiedler?“

Es ist die Spitzenmeldung auf der ersten Seite, unter der Schlagzeile ein Bild mit dem Blick in die Raumkapsel. Vier Sessel für die vier Auserwählten, davor Knöpfe, Schalter, Bullaugen für den Blick ins All - ganz so, wie man das aus Science-Fiction-Serien kennt. In 11 Jahren soll es losgehen.

Das Interesse am Flug auf den Mars ist offenbar riesig. Damit, so erfahren wir, soll das Ganze auch finanziert werden. Die weltweiten Fernsehrechte sollen die vielen Milliarden für das Projekt einspielen. Ein Riesen-Casting ist geplant, offenbar eine Mischung aus „Die Welt sucht den Super-Astronauten“ und „Big Brother im All“.

Nichts Neues im Weltall

„Kannst Du Dir vorstellen, dass wir beide es darin die sieben Monate bis zum Mars aushalten würden?“ Niemals, wird uns klar, als wir uns diese enge Weltraumkapsel ansehen. Wir kennen uns doch, seit 35 Jahren. „Da ist j alles verplant, da darf sich ja gar nichts ändern“, geht es meiner Frau durch den Sinn. „Da darfst du nicht alt werden, nicht krank, nicht vergesslich. Da kannst Du keine Kinder kriegen – wo sollen die hin? Warum will jemand so was, für den Rest seines Lebens?“ Meine Frau schaut sich den jungen Mann aus Potsdam an, der bereits in die engere Auswahl gekommen ist: Student der Filmwissenschaft, 25 Jahre alt, Hobby: Tanzlehrer, fährt als Aushilfsfahrer Straßenbahn. Derzeit noch ungebunden. „Ach, so jung“, meint sie, „der ahnt wohl nicht, was noch alles zum Leben gehört. Den lockt vielleicht nur die Filmidee; der Ruhm, einer von vieren zu sein, auf die die Welt schaut. Aber wer will schon sein Leben lang nur den Mann im Mond spielen? Oder die Frau auf dem Mars?“

„Also doch nichts Neues, nicht mal im Weltraum?“, überlege ich. „Nur eine neue Methode für die alte Sehnsucht, alles Irdische, das ganze alte Leben hinter sich zu lassen. In den Himmel zu kommen, nun aber ohne Gott, nur mit Hilfe der Technik? Wenn nach der Castingshow die kleine Schar der Auserwählten aufbricht in die Zukunft, in eine neue, verheißene Welt…“ „Ach, du mit deinem Pfarrerblick“, meint meine Frau. Aber rasch sind wir uns einig: So ein Himmel wäre nichts für uns.

Das Neue kann auch bedeuten, alt zu werden

Ein ziemlich abgehobenes Projekt, im ahrsten Sinne des Wortes. Wir wollen eine Zukunft, in der wirklich Spielraum ist für Neues: Eben auch, alt werden zu können. Mit Platz, um sich mal aus dem Weg zu gehen, wenn wir uns über den anderen ärgern. Und auch wenn wir uns immer wieder ändern wollen: Wir werden uns ertragen müssen, wie wir nun mal sind: Menschen, die ihre Schwächen haben. Die nicht allein gelassen werden wollen, auch wenn sie alt sind und Hilfe brauchen. Die sich bei all dem auf Gott verlassen können, der allen, nicht nur den Auserwählten, im Leben nahe ist und bleibt. Und sogar darüber hinaus.

Zum Autor:

Pfarrer Klaus Möllering Berlin
Pfarrer Klaus Möllering, BerlinBild: GEP

Klaus Möllering (Jahrgang 1953) arbeitet seit 2009 als Pfarrer und Seelsorger im Seniorenwohnstift Augustinum in Kleinmachnow bei Berlin. Seit vielen Jahren ist er Autor kirchlicher Radio- und Fernsehsendungen. Denn er war ab 1986 zunächst acht Jahre als evangelischer Beauftragter beim WDR tätig, danach zwölf Jahre als Beauftragter für Deutschlandradio und Deutsche Welle. Von 2007 bis 2008 leitete er in Berlin die Evangelische Medienakademie und die Evangelische Journalistenschule. Klaus Möllering ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und eine reizende Enkeltochter.