Zustimmung und leichte Kritik nach Wulff-Rede
4. Oktober 2010"Die Worte des Präsidenten sind ein klares, deutliches und wichtiges Signal für alle Muslime in Deutschland", sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek im Hinblick auf die Bremer Rede von Bundespräsident Christian Wulff.
Keine Bürger zweiter Klasse
Am 20. Jahrestag der Deutschen Einheit hatte sich Wulff als Präsident aller Menschen bezeichnet, die in Deutschland leben, und dabei ausdrücklich die Muslime einbezogen. Zudem stellte der Christdemokrat den Islam in eine Reihe mit dem Christen- und dem Judentum. Alle drei Religionen gehörten zu Deutschland. In verschiedenen Medien hatte sich Mazyek am Montag (04.10.2010) zur Bremer Rede geäußert.
Wulff habe deutlich gemacht, dass verschiedene Lebensentwürfe und Vielfalt in Deutschland erwünscht seien, sagte Mazyek der "Bild"-Zeitung. "Wulffs Rede war ein Zeichen, dass die Muslime keine Bürger zweiter Klasse sind", erklärte der neue Vorsitzende, der im September 2010 gewählt worden war. "Durch diese Rede wird ein Ruck durch die muslimische Gesellschaft gehen."
Der Einheitsruf "Wir sind ein Volk!" sei keine Zustandsbeschreibung, sondern ein Appell an alle Bürger, erklärte Mazyek in der "Berliner Zeitung". In Deutschland gebe es derzeit wirtschaftliche und soziale Unsicherheiten. Da bestehe immer die Gefahr, dass die Menschen auf Populisten und Scharlatane hereinfallen, die einfache Lösungen anbieten. "Da war die Rede des Präsidenten wohltuend, weil er differenziert."
Auch kritische Stimmen
Kritischer äußerte sich Weihbischof Hans-Jochen Jaschke vom Erzbistum Hamburg. "Muslime sollen bei uns zu Hause sein und unsere Verfassung bejahen", sagte Jaschke der "Bild"-Zeitung. Deutschland sei aber immer noch stark von der christlichen Kultur und Tradition geprägt. "Und ich kämpfe dafür, dass wir diese nicht preisgeben. Die Muslime müssen die gewachsene Mehrheitskultur in unserem Land respektieren."
Der Islam-Kenner Peter Scholl-Latour sagte derselben Zeitung, er wundere sich über Wulffs Äußerungen. Deutschland sei kein muslimisches Land. "Wir haben eine abendländisch-christlich-jüdische Kultur, die mit dem Islam nicht identisch ist."
"Der Islam gehört auch zu Deutschland"
Bundespräsident Wulff hatte in seiner Rede die Deutschen zur Offenheit gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen aufgerufen. Zugehörigkeit dürfe nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt werden. Im Sinne der christlich-jüdischen Geschichte gehörten das Christentum und das Judentum zweifelsfrei zu Deutschland. "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", betonte Wulff. Schon Goethe habe vor 200 Jahren festgestellt: "Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen."
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beteiligte sich am Montag an der Islam-Diskussion. Anlässlich der Vorstellung eines Buchs des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch mit dem Titel "Konservativ. Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen" forderte Merkel die Muslime in Deutschland zur uneingeschränkten Orientierung an den Grundwerten und am Grundgesetz auf.
"Es gibt hier keine Toleranz", sagte Merkel in Berlin. Das Bild des Islam sei in Deutschland stark durch die Scharia, eine fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bis hin zu Ehrenmorden geprägt. Der Islam sei in Deutschland mit seiner Religionsfreiheit willkommen, aber es "muss ein Islam sein, der sich unseren Grundwerten verpflichtet fühlt", sagte Merkel. Ansonsten würden die Ängste in der Bevölkerung zunehmen und "das kann nicht unser Anliegen sein".
Autorin: Marion Linnenbrink
Redaktion: Thomas Grimmer