Endstation Asien
7. März 2012
Versteckt in einem Garten in der ugandischen Hauptstadt Kampala sitzt Sarah im Gras. Die junge Frau hat dunkle Augenringe und Sorgenfalten auf der Stirn. Sie kaut an ihren Fingernägeln während sie erzählt, was ihr in den vergangenen Monaten zugestoßen ist: "Wenn man das tägliche Einkommen nicht auftreibt, wird man geschlagen oder bekommt nichts zu essen“. Die ugandischen Mädchen, die sich in Malaysia aufhielten, seien alle krank. "Glaube nicht, dass du zwei Wochen hier überleben kannst, ohne AIDS zu kriegen", sagten mir die Menschenhändler direkt ins Gesicht.
Der Traum vom Job im Ausland
Sarah gehört zu einer Grupppe von 14 ugandischen Frauen, die im Dezember aus den Fängen von Menschenhändlern befreit werden konnten – einem Ring, der in jüngster Zeit afrikanische Frauen nach Asien verschleppt. Systematisch rekrutieren die Banden in Uganda Mädchen wie Sarah, die verzweifelt nach einem Job suchen – und locken sie unter falschen Versprechungen ins Ausland, wo sie als Zwangsprostituierte arbeiten müssen. Sarah flog nach China, weil ihr eine Uganderin dort einen Job versprochen hatte.
Doch dann klopfte Sarahs angebliche Arbeitgeberin nachts an die Hotelzimmertür. "Als ich öffnete, stand sie dort mit einem nigerianischen Mann und sagte, er habe meine Chefin dafür bezahlt, dass ich mit ihm die Nacht verbringe", sagt Sarah. Danach seien weitere Nigerianer auf ihr Zimmer geschickt worden. "Sie nahmen mich mit Gewalt", schluchzt die junge Frau.
Mord und Menschenhandel
Drei Monate war Sarah in diesem Hotelzimmer gefangen, dann war sie mit ihren Kräften am Ende. Sie hatte sich mit HIV infiziert, war schwanger und hatte Suizid-Gedanken. Ihre Zuhälterin wollte sie in ein Bordell nach Malaysia weiterverkaufen. Doch am Flughafen in Kuala Lumpur wurden die Einwanderungsbehörden aufmerksam und verständigten die zuständige ugandische Honorarkonsulin, Hajah Noraihan. Damit kam die Geschichte in Malaysia ans Licht.
Zehntausende Afrikaner würden sich heute aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in Malaysia und den anderen Tigerstaaten niederlassen: vor allem Geschäftsleute und Studenten, erklärt Noraihan. Diese afrikanischen Geschäftsmänner verlangen nach afrikanischen Prostituierten, mit denen sie die Nacht verbringen. Interpol schätzt, dass allein in Malaysia rund 600 ugandische Frauen als Zwangsprostituierte gehalten werden. Insgesamt in Südostasien schätzungsweise ein- bis zweitausend. Doch diese Fälle würden erst publik, wenn es zu schweren Verbrechen kommt, so Noraihan. "Ich erfuhr von einem Mädchen, das vom Balkon gestoßen wurde“. Dies löste unter den Frauen wohl Panik aus. Zwei Tage später standen zwei Mädchen vor dem ugandischen Konsulat in Kuala Lumpur. Sie waren vor ihrem Zuhälter davon gelaufen.
Weltweit agierende Drogen- und Menschenhändler
Die Malaysierin Noraihan hat im Dezember 14 junge Frauen persönlich nach Uganda zurückgebracht. Der Interpol-Chef in Uganda, Asan Kasingye, hat die Ermittlungen übernommen, die im Januar und Februar zu ersten Festnahmen führten. "Dies ist nicht nur ein ugandisches Problem“, erklärt Kasingye und verweist auf die Hintermänner. Viele Mädchen würden über die Nachbarländer nach Asien geschleust. Es seien vor allem Nigerianer verhaftet worden, die als Zuhälter agierten. Sie steckten den Mädchen auch Drogen zu, die sie ohne Wissen über die Grenzen schmuggeln. Und auch umgekehrt würden aus Asien Frauen nach Uganda verschleppt, so Kasingye: "Wir haben neulich indische Mädchen entdeckt, die nach Uganda verschleppt wurden – als Sexsklaven für indische Geschäftsleute“. Kasingye verlangt nach einer ostafrikanischen Lösungsstrategie, "oder gar eine weltweite, denn der Ring erstreckt sich über Afrika hinaus."
Sarah hat sich mittlerweile etwas von den Strapazen ihres Horrortrips nach Asien erholt, sagt sie. Ihre Mutter ist aus einem weit entfernten Dorf nach Kampala gereist, um sich um sie zu kümmern. Dennoch sieht man ihr an, dass es ihr psychisch und physisch nicht gut geht. Von einem in der Abschiebehaft durchgeführten Bluttest weiß sie, dass sie HIV-positiv ist. Doch noch immer hat sie sich nicht zum Arzt getraut, um sich Medikamente zu besorgen. Alpträume plagen sie bis heute. Doch immerhin, sie ist tapfer: Als erste der 14 jungen Frauen war sie bereit, Interpol-Chef Kasingye ihre Aussagen aufnehmen zu lassen, um ihm bei der Suche nach den Menschenhändlern zu helfen.
Autorin: Simone Schlindwein
Redaktion: Andreas Noll