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Zwei Euro pro Tag für jede Kuh

Daniel Wortmann18. Juni 2005

Eier und Weintrauben, Olivenöl und Ziegenfleisch: EU-Subventionen sind eine wichtige Grundlage der europäischen Landwirtschaft. Im geplanten EU-Haushaltsplan wird erneut die Chance vertan, die Zuschüsse zu reduzieren.

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Größte Position im EU-Haushalt: Subventionen für die LandwirtschaftBild: dpa

Mit mehr als 45 Milliarden Euro ist das Budget für die Agrarpolitik der größte Posten im EU-Haushalt. Der Großteil davon ist für Subventionen bestimmt und erreicht auf diesem Wege die elf Millionen Bauern in den Mitgliedsländern.Der britische Europaminister Douglas Alexander brachte es kürzlich auf den Punkt: In der EU würden "zwei Euro pro Tag für jede Kuh" ausgegeben.

An dieser Überlast haben auch die Verhandlungen über neue Haushaltsvorgaben für die kommenden Jahre nichts geändert. Insbesondere Frankreich wehrte sich schon früh gegen merkliche Veränderungen. So bleibt es dabei, dass etwa die Ausgaben für Bildung und Forschung nur ein Zehntel der Landwirtschaftsbeihilfen betragen.

Von der Investitionsbeihilfe bis zum Exportzuschuss

Bioladen Biohof Medewege bei Schwerin
Teuer erkauft: Europäische AgrarprodukteBild: dpa Zentralbild

Die Kriterien für die Unterstützung finden sich in den einschlägigen EU-Verordnungen. So gibt es Zuschüsse zu Investitionen, Beihilfen für "Junglandwirte" und Zahlungen an Bauern im Vorruhestand. Subventioniert werden auch die Ansiedlung in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten und Anstrengungen zur besseren Verarbeitung und Vermarktung von Produkten.

Ein wichtiges Sondergebiet ist die Förderung von bestimmten Produkten. Wenn der deutsche Landwirt Eier exportiert, kann er ebenso EU-Gelder erhalten wie der spanische Winzer, der Wein destilliert und lagert. Als größter Posten schlagen mit fast elf Milliarden Euro die Getreidesubventionen zu Buche. Mehr als 2 Milliarden fließen allein in die Produktionshilfe für Olivenöl.

Neues Berechnungsverfahren

Mit der Agrarreform im Jahr 2003 hat sich die Berechnung der Beihilfen grundlegend geändert. Die umstrittene Praxis, die Bauern nach ihrer Produktionsmenge zu entlohnen, hat der Ministerrat abgeschafft. "So soll bewirkt werden, dass die Bauern ihr Produktionsverhalten an die Anforderungen des Marktes anpassen", sagt Monika Hartmann vom Institut für Agrarpolitik in Bonn. Jetzt erfolgt die Verteilung entweder nach dem Projektvolumen oder nach der Größe der bewirtschafteten Fläche.

Neu ist auch, dass mit den Zahlungen konkrete Auflagen verbunden werden können. "Im Rahmen der so genannten 'cross-compliance' können beispielsweise Vorgaben zur Düngung sowie Kennzeichnungsvorschriften kontrolliert werden", erklärt Udo Hemmerling, Referent für Wirtschaftspolitik beim Deutschen Bauernverband.

Missbrauchskontrolle durch Stichproben

Ernte nachwachsende Rohstoffe
Ernte mit EU-Zuschuss: Mehr als 10 Milllarden Euro für GetreideBild: dpa

Bei seiner Bewerbung um die Brüsseler Finanzspritze hat der Bauer zu keinem Zeitpunkt direkten Kontakt zu seiner spendablen Geldquelle. In Deutschland übernehmen die einzelnen Bundesländer die Verteilung. Für die meisten Subventionen vermitteln sie dabei nur die Brüsseler Gelder. Zu einem geringen Teil steuern Bund und Länder eigene Gelder bei - und können dann auch eigene Forderungen an die Betriebe stellen.

Zum Schutz vor Missbrauch existiert in allen Mitgliedsstaaten ein Kontrollsystem. "Jährlich kontrollieren die Behörden fünf Prozent der Betriebe", berichtet Bauernvertreter Hemmerling. Immer wieder gebe es dann Rückforderungen, die in manchen Mitgliedsstaaten auch dreistellige Millionenbeträge erreichen könnten.

Ohne Subventionen keine Landwirtschaft?

Dass der auffallend hohe Anteil der Landwirtschaftsförderung am EU-Haushalt nur wenige Politiker zu kritischen Äußerungen veranlasst, ist auf die nationalen Interessen der meisten Mitgliedsstaaten zurückzuführen.

Weizen mit Kühen, Landwirtschaft, Argrarpolitik
Die Unterstützung reicht vom Hartweizen bis zur MutterkuhBild: AP

Zwar gilt häufig Frankreich als besonderer Verfechter der Zuschüsse. Doch auch in Deutschland könnte die Landwirtschaft heute nicht ohne die Überweisungen aus Brüssel auskommen. Udo Hemmerling rechnet vor: "Die Wertschöpfung in der deutschen Landwirtschaft liegt bei sieben bis zwölf Milliarden Euro, die Subventionszahlungen betragen aber selbst fast sieben Milliarden." Sprich: In schlechten Jahren erwirtschaften die Landwirte gerade ihre eigenen Kosten - unter anderem eine Folge des schnellen Preisverfalls der letzten Jahre.

Protektionismus auch außerhalb Europas

Auch der internationale Vergleich zeigt, dass kaum ein Land ohne Zuschüsse zur Landwirtschaft auskommt. Insbesondere in der Schweiz und Japan, aber auch in den USA hat Agrar-Expertin Hartmann zumindest in einigen Märkten ein "enorm hohes Protektionsniveau" beobachtet.

Diese große internationale Einigkeit hemmt die Anstrengungen, die Subventionen einzudämmen. Wissenschaftler und Bauernvertreter sehen in multilateralen Verhandlungen auf der Ebene der Welthandelsorganisation den einzigen Weg zu einer dauerhaften Veränderung. Deutliche Einschnitte seien allerdings erst langfristig möglich, gibt Udo Hemmerling vom Bauernverband zu bedenken: "Erst wenn die Agrarreform in den nächsten Jahren ihre Wirkung zeigt, wird es neue Spielräume geben."