Zwei Kreuze und kein Hallelujah
12. März 2002Die Vorlage zu Constantin Gavras' "Amen" bildet das bekannte Stück "Der Stellvertreter", ein "christliches Trauerspiel" aus der Feder Rolf Hochhuths. Das Plakat des italienischen Fotografen Oliviero Toscani war jüngst auf der Berlinale schon ein Stein des Anstoßes: Als eine optische "Verleumdung und Geschichtsklitterung" geißelten katholische Würdenträger die Werbekampagne. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, nahm das Plakat zum Anlass, dem Bundestag eine Verschärfung der Strafbestimmungen zum Schutz religiöser Überzeugungen nahezulegen.
Das Plakat, das in Frankreich doch geklebt werden durfte, hat Vorgänger. Diese bewarben das Hochhuth-Drama und lösten zum Teil ebenso heftige Kontroversen aus.
"Der Stellvertreter" und seine Plakate
Mit der Uraufführung von "Der Stellvertreter" erregte Rolf Hochhuth 1963 weltweit Aufsehen. Papst Pius dem XII. wird in Hochhuths Drama vorgeworfen, sich nicht mutig genug gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten gestellt zu haben. Eine These, an der sich heftige Auseinandersetzungen über die Rolle der Kirchen in der NS-Zeit entzündeten.
Interessanterweise ist es in jüngster Zeit weniger das Stück selbst, an dem der Streit entbrennt, sondern seine Plakate. Erst im Oktober vergangenen Jahres handelte sich der deutsche Plakatkünstler Klaus Staeck Ärger ein, als er eine Inszenierung des Dramas am Berliner Ensemble illustrierte. Ein empörter Berliner Bürger erstattete Anzeige wegen Werbung mit "verbotenen politischen Inhalten". Das Berliner Ensemble freute sich über die zusätzliche Publicity für seine wenig gerühmte Inszenierung.
Der Film "Amen": "wie ein Hochschulseminar"
Beim Kinostart in Frankreich (27.2.2002) äußerten sich Kritiker wenig begeistert über den Film des griechischen, aber in Frankreich lebenden Regisseurs: Der Film wirke in manchen Passagen zu abgewogen, fast wie ein Hochschulseminar.
Die im Film erzählte Geschichte ist heutzutage weniger provokativ als das Plakat. Der SS-Mann Kurt Gerstein, dargestellt von Ulrich Tukur, teilt sein Entsetzen über die Gaskammern mit einem jungen katholischen Priester. Dieser versucht, im Vatikan eine politische Wendung und eine offene Kritik am Holocaust zu erreichen. Das Kirchenoberhaupt, dem Hochhuth die schweigende Duldung vorwirft, wird von dem rumänischen Schauspieler Marcel Iures ("Peacemaker") verkörpert. Neben Mathieu Kassovitz wirken Ulrich Tukur als SS-Offizier Gerstein und Ulrich Mühe als Lagerarzt mit. Costa-Gavras stützt sich nicht nur auf Hochhuths Drama, sondern auch auf eine Vielzahl historischer Dokumente.
Deutsches Filmpublikum muss noch drei Monate warten
Für Public-Relations-Profis ist es gewiss ein Erfolg, wenn ein
Filmplakat eine öffentliche Debatte auslöst. Bei der Münchner Agentur Wolfgang Werner, die die deutsche Version bewirbt, die unter dem Originaltitel "Der Stellvertreter" ab 30. Mai in die Kinos kommen soll, hält man sich bedeckt: "Wir machen Werbung für den Film und nicht für das Plakat."
Die Entscheidung darüber, ob der "Stellvertreter" auch in Deutschland mit dem Hakenkreuz-Plakat beworben wird, steht kurz bevor. Costa-Gavras äußerte inzwischen die Befürchtung, das Gezerre um das Plakat könnte die Kinogänger abschrecken. "Das wäre traurig", sagte der Regisseur. Denn "die Debatte soll sich am Film entzünden, nicht an dem Plakat". (cg)