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Trotz Revolutionen kein Wohlstand

Alexander Tokmakov31. März 2015

Kirgisistans Präsident Atambajew ist auf Staatsbesuch in Berlin. Sein Land begeht dieses Jahr die Jahrestage der "Tulpen-Revolution" und der "April-Ereignisse". Doch mit echten Reformen kann sich das Land nicht rühmen.

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Deutschland Kirgisien Präsidenten Atambayev & Gauck
Bild: Carsten Koall/Getty Images

Am 24. März hat Kirgisistan an den 10. Jahrestag der so genannten "Tulpen-Revolution" erinnert, bei der Präsident Askar Akajew nach 15-jähriger Herrschaft gestürzt wurde. Neuer Staatschef wurde Kurmanbek Bakijew, der schnell alle demokratischen Parolen vergaß. Fünf Jahre später ereilte ihn das Schicksal seines Vorgängers. Doch diesmal verlief der Umsturz blutig. Am 7. April 2010 kamen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, die das Feuer eröffnete, mehr als 80 Menschen ums Leben.

Die Jahrestage der beiden Revolutionen fallen zusammen mit einer aktuellen Europa-Reise des jetzigen Präsidenten Almasbek Atambajew. Bei Treffen mit europäischen Staats- und Regierungschefs spricht er viel über Demokratie und Reformen. Doch in Kirgisistan wächst die Enttäuschung. Echte positive Veränderungen gibt es in dem Land keine. Die Armutsquote ist nach wie vor hoch. Etwa ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung muss immer wieder das Land verlassen, um in Russland und anderen Ländern zu arbeiten.

Karte Kirgisistans (Grafik: DW)
In Kirgisistan leben rund 5,7 Millionen Menschen

Keine parlamentarische Demokratie

Edil Bajsalow war aktiver Teilnehmer der "Tulpen-Revolution" im März 2005. Er erinnert sich noch gut, wie schnell es dem neuen Präsidenten gelungen war, seine persönliche Macht zu festigen. Daher unterstützte Bajsalow im Jahr 2010 die nächste Revolution. Nach dem Sturz von Präsident Bakijew war Bajsalow kurz als Stabschef der Übergangsregierung tätig. Doch auch die neuen Machthaber hätten wieder schnell ihre Versprechen vergessen, so Bajsalow.

Für Parlamentarismus sei das Land damals nicht reif gewesen, meint er heute. "Die hastig gebildeten politischen Bewegungen nannten sich in Parteien um und traten bei Wahlen an, aber am Ende zerfielen sie", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch die heutigen Sozialdemokraten seien keine richtige Partei. Sie seien nur dazu da, den Präsidenten zu unterstützen, ähnlich wie die Parteien der ehemaligen Präsidenten. "Daher kann bei uns von einer parlamentarischen Demokratie keine Rede sein", so Bajsalow. Auch Präsident Atambajew sei es gelungen, die gesamte Macht in seinen Händen zu vereinen. Die Ideen von Parlamentarismus, eines Mehrparteiensystems und einer pluralistischen Gesellschaft seien in Verruf geraten. Die Opposition sei zersplittert. Deren Führer würden entweder strafrechtlich verfolgt oder eingeschüchtert, stellt Bajsalow fest.

Ferner beklagt er, dass es keine Veränderungen in Menschenrechtsfragen, bei der Justiz, im Innenministerium, in der Staatsanwaltschaft und bei den Geheimdiensten gebe. Korruption und Willkür würden weiterhin gedeihen. "Atambajew kann während seiner Reise durch Europa viel über sein Engagement für Menschenrechte erzählen. Aber das sind nur Worte. In Wirklichkeit paktiert er mit korrupten Kreisen. Das hilft ihm, das Land zu kontrollieren und ein gewünschtes Ergebnis bei den Parlamentswahlen zu bekommen, die für den kommenden Herbst anberaumt sind", vermutet Bajsalow.

Menschenrechtler sind alarmiert

Unterdessen schlagen internationale Menschenrechtsaktivisten Alarm. Es geht um zwei Gesetzentwürfe, die derzeit dem kirgisischen Parlament vorliegen. Beide sind praktisch Kopien entsprechender russischer Gesetze. Einer sieht bis zu einem Jahr Haft für die so genannte "Propagierung nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" vor. Laut dem zweiten Gesetzentwurf können Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen eingeschränkt werden, sollten diese aus dem Ausland finanziell unterstützt werden. Die betreffenden NGOs können dann als ausländische Agenten gebrandmarkt werden.

Deswegen haben im Vorfeld des Europa-Besuchs von Präsident Atambajew mehrere Menschenrechtsbewegungen, darunter das niederländische und norwegische Helsinki-Komitee, aber auch andere europäische Organisationen die EU-Führung aufgefordert, mit dem kirgisischen Präsidenten diese Fragen zu besprechen. Ihm sollte klargemacht werden, dass es "Einfluss auf die Beziehungen zwischen Kirgisistan und der EU" haben werde, sollte das Land sich weigern, seine Verpflichtungen auf dem Gebiet der Menschenrechte umzusetzen.

Auch kirgisische Menschenrechtler sind besorgt. Die Leiterin der gesellschaftlichen Vereinigung "Koalition für Demokratie und Zivilgesellschaft", Dinara Oschurachunowa, sagte der DW: "Unter Akajew und Bakijew gab es auch Gesetzentwürfe, mit denen die Aktivitäten von NGOs eingeschränkt werden sollten. Und heute wird der Zivilgesellschaft wieder vorgeworfen, sich in die Politik einzumischen. Deswegen gibt es diesen Gesetzentwurf." Der Aktivistin zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass er angenommen wird, heute höher denn je.

Russlands Einfluss in Kirgisistan wächst

Das Scheitern des demokratischen Wandels in Kirgisistan wird auch auf den zunehmenden Einfluss Russlands zurückgeführt. Im Juli 2014 wurde auf Forderung der kirgisischen Behörden der US-Luftstützpunkt Manas geschlossen. Zur gleichen Zeit nahm Bischkek Kurs auf eine Annäherung an Moskau und auf einen Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion. Schon im Mai soll es so weit sein.

Der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew zu Besuch bei seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im März dieses Jahres (Foto: REUTERS/Mikhail Klimentyev/RIA Novosti/Kremlin)
Der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew zu Besuch bei Wladimir Putin (März 2015)Bild: Reuters/Mikhail Klimentyev/RIA Novosti/Kremlin

Den "alternativlosen Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion" habe Atambajew zu seiner wichtigsten Losung gemacht, sagte Edil Bajsalow und fügte hinzu: "Er ist überzeugt, dass wir schnell der Eurasischen Wirtschaftsunion beitreten sollten." Dafür sei Atambajew auch bereit, einen Preis zu zahlen. Er würde auf die Multi-Vektoren-Politik verzichten und einen möglichen Verlust der Souveränität Kirgisistans in Kauf nehmen.