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Zweierlei Maß

Alexander Scheibe 1. Juli 2003

In Italien regiert eine Mitte-Rechts-Koalition, an der auch rechtspopulistische Parteien beteiligt sind: Die EU stört es nicht. Aber vor drei Jahren, als in Österreich die FPÖ an die Macht kam, war das Geschrei groß.

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Jörg Haider, 2000: Seinetwegen wurde Österreich in Europa isoliertBild: AP

Zur Erinnerung: Bei den Parlamentswahlen 2000 erreichten die "Schwarzen", wie die Freiheitliche Partei in Österreich genannt wird, die zweitstärkste Position. Nur logisch, dass die Volkspartei unter Wolfgang Schüssel den Wählerauftrag umsetzen und eine blau-schwarze Koalition mit den Freiheitlichen eingehen wollte. Doch aus dem Ausland gab es massive Proteste.

Einmischung in die inneren Angelegenheiten?

Nach der Regierungsbildung in der Alpenrepublik kam es zu einem bis dahin unvorstellbaren Vorgang: Die Europäische Union verhängte Sanktionen gegen das Mitgliedsland Österreich, mischte sich also quasi in die österreichische Innenpolitik ein. "Wenn eine europafeindliche, eine ausländerfeindliche, eine den Nationalsozialismus relativierende Partei sich anschickt, in die Regierung einzutreten, und sie dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als der Gewinner der Koalition hervorgeht, dann hat das Auswirkungen auf die europäische Integration", war damals vom deutschen Außenminister Joschka Fischer zu vernehmen. Im Wesentlichen bestanden die Sanktionen aus Schweigen. Österreich sollte diplomatisch isoliert werden. Vertreter der EU redeten offiziell nicht mehr mit österreichischen Politikern. Dies war umstritten - vor allem auch bei den Bürgern in vielen europäischen Ländern.

Sanktionen gegen Österreich

Die Staats- und Regierungschefs der 14 anderen EU-Staaten hatten sich - vor allem auf dringenden Wunsch Deutschlands und Frankreichs - geschlossen für Sanktionen gegen Österreich ausgesprochen. Die neue österreichische Regierung war entsetzt. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner war überzeugt, "dass Österreich großes Unrecht getan wurde. Die Sanktionen widersprechen den europäischen Verträgen." Österreich musste sieben lange Monate warten, bis die EU die Sanktionen aufhob. Das geschah ziemlich kleinlaut, denn Österreich war standhaft geblieben und hatte keine andere Regierung gebildet.

In Italien ist es auch nicht anders

Wie fragwürdig die ganze Aktion gegen Österreich gewsen war, zeigte sich bereits wenige Monate später. Im Mai 2001 bildete Silivio Berlusconi in Italien eine neue Koalitionsregierung, an der ebenfalls Rechtspopulisten beteiligt wurden. Doch niemand verhängte Sanktionen oder drohte auch nur etwas Ähnliches an. Und dies, obwohl Berlusconi damals mit Gianfranco Fini und Umberto Bossi sogar gleich zwei Rechtspopulisten in seine Regierung holte. Bossi von der Lega Nord war nicht nur gegen Europa, sondern wollte am Anfang sogar den Norden vom Rest Italiens abspalten. Finis Nationale Allianz war aus den Neofaschisten hervorgegangen.

Warum wird Österreich abgestraft und Italien nicht?

Zwei Gründe gibt es für das unterschiedliche Verhalten der europäischen Regierungen gegenüber Österreich und Italien: Zum einen ist Österreich klein, war damals gerade fünf Jahre Mitglied der Europäischen Union. Italien dagegen ist Gründungsmitglied der EU und zählt bis heute aufgrund seiner Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl zu den Schwergewichten in der Union.

Zum anderen war die Stimmung damals ganz anders. Im Jahr 2000 hatte es den Anschein, als sei eine sozialdemokratische Epoche in Europa angebrochen - in 13 der 15 Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten war eine linke Partei an der Macht oder daran beteiligt. Allen voran New Labour unter Tony Blair in Großbritannien und die 1998 an die Macht gekommene ror-grüne Koalition unter Gerhard Schröder in Deutschland. Nicht zuletzt deshalb empfanden viele Europäer damals Jörg Haider mit seinen ausländerfeindlichen Parolen als den Teufel in Person.

Es hat sich viel verändert in drei Jahren

Der Wind weht mittlerweile wieder klar von rechts. In vielen Staaten gab es innerhalb der Regierungsparteien ein klaren Rechtsruck. Oder - wie zum Beispiel in Dänemark oder den Niederlanden - ging die Regierungsgewalt an Mitte-Rechts-Parteien über. Der Wechsel gerade in diesen Ländern wiegt schwer.

Ursprünglich als liberale Länder bekannt, - vor allem, was Einwanderung und das Verhältnis zu Ausländer angeht, -vertreten heutzutage Politiker, wie beispielsweise Anders Fogh Rasmussen in Dänemark, Thesen zur Einwanderung, die vor drei Jahren noch unvorstellbar waren. Ob man es nun gutheißt oder nicht: Spätestens seitdem es bei der Beteiligung von Alleanza Nazionale und der Lega Nord an der Regierung in Italien keine Reaktionen gab, sind Rechtspopulisten salonfähig im EU-Europa.