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Hollande vor Kurswechsel?

Bernd Riegert14. November 2012

Die deutsche Regierung drängt die französische zu Reformen: Die Furcht vor dem nächsten Sanierungsfall geht um. Frankreichs Ministerpräsident Ayrault warb in Berlin um Verständnis.

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Panoramabild Paris mit Eiffelturm (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Ralf Gosch

Die schlechten Nachrichten häufen sich für die französische Regierung. Anfang November schrieb der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Finanzbericht zu Frankreich, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sei im internationalen Vergleich mager. Die hohen Schulden Frankreichs führten dazu, dass die Stabilität der Euro-Zone bedroht sei, sollte es in Frankreich zu einem weiteren Vertrauensverlust der Anleger kommen. Der IWF warnt eindringlich vor "Ansteckungsgefahren", da französische Banken stark in den südlichen Ländern der Eurozone engagiert seien.

Die Europäische Union, vertreten durch Währungskommissar Olli Rehn, macht sich ebenfalls Sorgen um Frankreich. Rehn sagte bei der Vorstellung der Wachstumsprognosen für die Europäische Union im Jahr 2013, Deutschland stehe wesentlich besser da als Frankreich. "Wir nehmen an, dass die französische Wirtschaft nur um 0,4 Prozent wachsen wird, während die Regierung in Paris vom Doppelten, nämlich 0,8 Prozent ausgeht." Die Neuverschuldung Frankreichs werde im kommenden Jahr bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, nicht bei 3,0 Prozent, wie das die Regierung immer versprochen habe, sagte Rehn in Brüssel am vergangenen Mittwoch.

Henrik Uterwedde (Foto: privat)
Uterwedde: Frankreich braucht WandelBild: privat

Diese Zahlen sieht Frankreich-Fachmann Henrik Uterwedde vom deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg kritisch: "Ich denke, die Lage ist sehr ernst, weil die schlechte Konjunktur in Frankreich keine vorübergehende Erscheinung ist, sondern unterlegt wird durch strukturelle Probleme der französischen Wirtschaft." Er sagte der Deutschen Welle, der französische Staatspräsident François Hollande müsse die Verschuldung senken. Eine Sparpolitik führe aber wahrscheinlich zu einer weiteren Schwächung der Konjunktur. Deshalb stehe Hollande vor einem Dilemma.

Im Wettlauf mit der europäischen Konkurrenz

Im Auftrag der französischen Regierung hat der ehemalige Spitzenmanager Louis Gallois ein Gutachten mit 22 Maßnahmen vorgelegt, um die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie zu stärken. Gallois sagte in Paris nach einem Gespräch mit Premierminister Jean-Marc Ayrault, man brauche einen wahren "Schock", um die Industrie wieder wettbewerbsfähiger zu machen. "Die Franzosen müssen diese gemeinsame Anstrengung jetzt unterstützen, die vielleicht ein wunderbares Projekt für unser Land werden kann, um unsere Industrie wieder zu stärken", sagte der ehemalige Chef des EADS-Konzerns. "Dazu brauchen wir Debatten und einen sozialen Dialog auf allen Ebenen, in den Betrieben, auf regionaler und nationaler Ebene, um neue Dynamik und neuen Schwung auszulösen."

Louis Gallois (Foto:Getty Images)
Gallois: Schock empfohlenBild: AFP/Getty Images

"Strukturreformen sind nötig"

Als ersten Schritt kündigte Premierminister Ayrault Steuererleichterungen von 20 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren für die Industriebetriebe an. Nötig sind nach Auffassung von Wirtschaftsfachmann Henrik Uterwedde aber tiefgreifende Reformen in Wirtschaft und Verwaltung, die Staatspräsident François Hollande anpacken müsse. "An die Strukturreformen hat sich Hollande bisher nicht herangewagt. Er wird es aber tun müssen, weil ein neuer Bericht des Sachverständigenrates über die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie sehr alarmierende Nachrichten gebracht und attestiert hat, ohne einen wirklichen 'Wettbewerbs-Schock' könne die Wirtschaft nicht wirklich gesunden", sage Uterwedde der DW. Die französische Tageszeitung "Le Figaro" forderte in einem Kommentar den sozialistischen Regierungschef auf: "Mach uns den Schröder!" Eine Anspielung auf den ehemaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der gegen erhebliche Widerstände Arbeitsmarkt- und Sozialreformen in der "Agenda 2010" durchgeboxt hatte.

Sorgen in Deutschland

Premier Ayrault war am Donnerstag (15.11.2012) in Berlin bei Bundeskanzlerin Merkel zu Gast, um die Wirtschaftspolitik abzustimmen. Angeblich hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble große Besorgnis über zu langsame französische Reformen geäußert. Die französische Zeitung "Libération" hatte berichtet, die französische Regierung habe in Berlin schriftlich um eine Erklärung gebeten. Im Umfeld von Staatspräsident Hollande sehe man die deutsche "Panikmache" mit großer Sorge, schrieb "Libération" am Montag. Frankreich sei weder mit dem Krisenherd Griechenland noch mit Spanien zu vergleichen. Unsicherheit der Finanzmärkte und Spekulationen könne man auch herbeireden. Der Frankreich-Experte Uterwedde sieht aber kein großes Zerwürfnis. "Man ist zum gemeinsamen Handeln verdammt, weil die beiden Länder so eng verflochten sind, weil beide Länder auch in der Euro-Zone den Ton angeben. Ohne eine Zusammenarbeit beider Länder werden wir die gegenwärtige Krise in der Euro-Zone nicht überwinden können", sagte Uterwedde der DW.

Francois Hollande - ein halbes Jahr im Amt

Frankreich muss handeln

EU-Kommissar Olli Rehn sieht in Frankreich den Willen, die Reformen anzupacken. Die Prognose der EU-Kommission zum Wirtschaftswachstum 2013 sei ja durch konkrete Politik noch veränderbar. "Wir erleben in Frankreich im Moment einen möglicherweise entscheidenden Wandel in der Politik, sowohl bei der Konsolidierung des Haushalts als auch in den Fragen der Wettbewerbsfähigeit. Deshalb sind wir nicht in einer statischen Situation, sondern in einem Wandel", sagte Rehn vor Reportern in Brüssel. Uterwedde sieht Staatspräsident Hollande ebenfalls erst am Anfang eines fälligen Wandels. "Er weiß, dass er die Schulden senken muss, und er will sie auch senken. Aber die Umsetzung dieser Entschuldungspolitik hat er noch nicht bis ins Letzte durchdekliniert. Das werden noch schwierige politische Diskussionen in Frankreich werden." Im kommenden Jahr wird die Gesamtverschuldung Frankreichs nach einer Projektion der EU-Kommission auf über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Diese Schwelle gilt als kritische Marke für die langfristige Tragfähigkeit der Schulden.