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Zwischen Pessimismus und Hoffnung

Waslat Hasrat-Nazimi5. Oktober 2012

Die Zukunftsaussichten für Afghanistan sind elf Jahre nach der NATO-Invasion äußerst ungewiss. Der Optimismus ist verflogen, viele Menschen blicken mit Sorge auf die Zeit nach dem Abzug der internationalen Truppen.

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ARCHIVNATO-Hubscharuber über einem Ausfugssee bei Kabul (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Der Jahrestag des Einsatzes in Afghanistan jährt sich zum elften Mal. Am 7. Oktober 2001 begannen die USA, gestützt auf Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates und der NATO, mit massiven Luftangriffen in ganz Afghanistan die Offensive gegen die die Taliban. Kabul wurde kampflos Mitte November eingenommen, die Eroberung der letzten Taliban-Hochburg Kandahar gelang aber erst zwei Monate später, am 7. Dezember.

Es war ein Krieg, der gegen den Terrorismus und für die Befreiung des afghanischen Volkes geführt wurde. Ahmad Shah, ein Bewohner der Hauptstadt Kabul, erinnert sich: "An dem Tag, als die Taliban vertrieben wurden, änderte sich schlagartig etwas in den Köpfen der Menschen. In jeder Ecke der Stadt haben die Menschen getanzt. Bärte wurden abgeschnitten, Haare frisiert. Alle fühlten sich wie neugeboren."

Änderungen zum Positiven

Der Neuanfang war von Optimismus geprägt, vieles ging sehr schnell: Eine neue Regierung kam ins Amt, Mädchen besuchten wieder die Schule. Für die Afghanen schienen die Möglichkeiten grenzenlos zu sein. Shah-Hussain Mortazavi, Journalist bei der bekannten afghanischen Tageszeitung "Acht Uhr morgens", zieht eine positive Bilanz der Zeit seit dem Sturz der Taliban-Herrschaft: "Wir haben eine moderne Verfassung, einen legitimierten Präsidenten, ein gewähltes Parlament, eine lebendige Medienlandschaft, die Pressefreiheit des Landes verbessert sich immer weiter, eine aktive Zivilgesellschaft. Anstatt mit einer Stimme spricht unsere Gesellschaft nun mit vielen Stimmen."

Pressekonferenz nach Wahlen in Kabul (Foto: DW)
Medienvielfalt als Zeichen des Neubeginns in AfghanistanBild: DW

Trübe Perspektiven

Aber bei weitem nicht alle bewerten die Entwicklung Afghanistans so positiv. Viele Afghanen sehen keine Zukunftsperspektive, so wie Akhtar Mohammad aus Kandahar, einer früheren Hochburg der Taliban. "Niemand hat Arbeit hier, man sieht viele Jugendliche, die arbeitslos sind." Die Menschen hätten gehofft, dass Fabriken gebaut werden, die Jobs schaffen, erzählt der Mittdreißiger. "Es gibt Schulen, aber die Schüler lernen kaum etwas. Die Lehrer unterrichten sie nicht richtig, weil sie zu wenig Lohn bekommen. Die wenigen Schulen, die es gibt, sind in der Stadt, jedoch nicht auf dem Land." Das einzige Krankenhaus in ganz Kandahar, das auch vier angrenzende Provinzen versorgt, werde wohl schließen, "wenn die Ausländer ihre Zahlungen einstellen", so die pessimitische Erwartung von Akhtar Mohammad.

Frisch ausgebildete Krankenschwestern in Kandahar (Foto: DW)
Frisch ausgebildete Krankenschwestern in KandaharBild: DW

Auch die Sicherheitslage wird von vielen Afghanen pessimistisch eingeschätzt, wie auch von westlichen Experten, die einen Rückfall des Landes in Bürgerkriegsanarchie nach dem Abzug der NATO-Truppen voraussagen. Die Einschätzung durch NATO und westliche Regierungen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte nach 2014 in der Lage sein werden, den weiteren demokratischen Aufbau des Landes zu sichern, sei "völlig unrealistisch", sagt beispielsweise Candace Rondeaux von der International Crisis Group. Denn den afghanischen Regierungskräften fehle es "vollständig an Luftunterstützung, an logistischen Fähigkeiten und an echtem innerem Zusammenhalt."

US-Soldat und afghanischer Polizist auf Patrouille in Kabul (Foto: dpa)
Die Partnerschaft der einheimischen und ausländischen Sicherheitskräfte hat durch kontinuierliche "Insider-Angriffe" Risse bekommen.Bild: picture-alliance/dpa

Verunsicherte Bevölkerung

Der neue afghanische Staat funktioniere weder besonders effektiv noch besonders demokratisch, sagt auch Thomas Ruttig, Afghanistan-Experte beim "Afghan Analyst Network." Die Bilanz nach elf Jahren sehe nicht positiv aus: "Die Warlords haben die Oberhand, viele Leute fühlen sich ausgegrenzt, und auch die afghanische Regierung und ihre verschiedenen Organe üben sehr viel Gewalt aus." Deshalb dürfe man sich nicht wundern, dass viele Menschen dann doch die Option der Taliban wählen, so Ruttig.

Die anfängliche Euphorie über den Sturz der Taliban ist jedenfalls weitgehend verflogen. Nach elf Jahren ist nur der Abzug der NATO-Soldaten gewiss. Darüber hinaus sieht die Zukunft für die Afghanen ungewisser aus, als sich das viele auch im Westen erhofft hatten.