"Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen
26. Juli 2018Das Bühnenbild durchgehend in blau gehüllt, ein Retro-Kraftwerk wie aus dem Filmklassiker "Metropolis", Kostüme, die anscheinend von Rembrandt-Gemälden inspiriert wurden und Hauptfiguren mit Insektenflügeln gehören zu den Bildern in der Neuinszenierung von "Lohengrin", die man nicht so schnell vergessen wird. Die visuellen Leitmotive des deutschen Künstlers Neo Rauch und seiner Ehefrau Rosa Loy überschatten alles andere in dieser Deutung von Richard Wagners romantischer Oper.
Man fühlt sich wie in ein Gemälde hineingezogen, und nichts lenkt vom Bühnenbild ab. Sogar der Dirigent Christian Thielemann sagte, seine Deutung der Partitur sei diesmal vom visuellen Aspekt der Produktion beeinflusst. Über längere Zeitstrecken singen die Solisten statuarisch. Regisseur Yuval Sharon deutet nicht viel in die Geschichte hinein, überrascht jedoch mit einer interessanten Wendung im dritten Akt.
Was geschieht nach der Geschichte?
Um das zu verstehen, muss man kurz die Handlung rekapitulieren. In "Lohengrin" erscheint die Titelfigur gleichsam aus dem Nichts, um die Fürstin Elsa vor einer bösen Intrige des Grafen Telramund und seiner Ehefrau Ortrud zu retten. Der geheimnisvolle Fremde wird für Elsa streiten und sie ehelichen, stellt aber eine Bedingung: Nie darf sie fragen wer er ist, woher er kommt und was seine wahre Natur ist. Sie heiraten, aber der Zweifel, den Ortrud gesät hat, trägt Früchte: Elsa stellt die verbotene Frage tatsächlich – und Lohengrin muss sie verlassen.
Die überraschende Wende in dieser Inszenierung kommt in der Brautkammer, die hellorange in der blauen Landschaft gehalten ist. Als Elsa beginnt, unbequeme Fragen zu stellen, singt ihr Ehemann von Liebe und fesselt sie gleichzeitig mit einem Elektrokabel. Nur wenn sie die verbotene Frage geradeaus stellt, kann sie sich befreien. Gleichzeitig funkt es im Kraftwerk.
Nie wird Liebe oder besondere Zuneigung gezeigt: Es ist eine politische Ehe. Zum traurigen Schluss sollen laut Partitur Elsa und Ortrud tot hinfallen, aber Regisseur Yuval Sharon lässt alle andere sterben. Am Leben bleiben Ortrud, Elsa und ihr wieder aufgetauchter Bruder Gottfried. Zusammen sollen die Frauen offenbar eine neue Sozialordnung entwickeln.
Gähnende Leere
Es geht um starke Frauen und um deren Ermächtigung, hat Sharon bereits erklärt, schließlich sind es die weiblichen Figuren in "Lohengrin", die die Handlung vorantreiben. Bis es zu dieser Schlussszene kommt vergehen allerdings ereignislose Stunden mit nur Wenigem, das Auge oder Gehirn beschäftigt.
In einer bedrohlichen Wolkenlandschaft im zweiten Akt tauchen die Solisten immer wieder aus hochgewachsenem Schilf auf und verschwinden wieder dahinter, ohne dass man weiß, warum. Der Zuschauer muss ebenfalls raten, warum die Edlen am Hof durchsichtige Flügel tragen oder der Schwertkampf zwischen Lohengrin und Telramund in der Luft schwebend stattfindet. Es gehe darum, die Fantasie des Zuschauers nicht zu sehr in eine bestimmte Richtung zu lenken, hieß es aus der Regie. Vielleicht ist ihr aber einfach wenig eingefallen.
Ein Fest der Stimmen
Für die Solisten gab es viele Bravos, angefangen mit Georg Zeppenfeld in der Rolle des Königs Heinrich. Piotr Beczala war ein energischer Lohengrin mit sehr männlichem Tenor. Nicht nur schafft er die hohe Töne, sondern gestaltet seine Vokallinien fein. Ein Triumph für den Polen – und auch für sein Landsmann Tomasz Konieczny, dessen warmer Bariton eine neue Dimension des Bösetäters Telramund offenbart. Als Elsa konnte Anja Harteros alle momentan vergessen lassen, dass für zwei Aufführungen nächstes Jahr die russische Diva Anna Netrebko die Rolle übernehmen wird.
Die längsten Ovationen erntete Waltraud Meier, die einst als Kundry, Waltraute und Isolde in Bayreuth gefeiert wurde, den Festspielen jedoch seit 18 Jahren fern blieb. Als Ortrud füllt die 62-Jährige das Auditorium mit ausreichender Klangstärke. Was fehlt, ist etwas von der früheren Ausdrucksnuance – man feierte sie jetzt aber nicht weniger deshalb. Damals verließ sie den Grünen Hügel im Streit. Jetzt scheint Meier ihren Frieden mit den Bayreuther Festspielen schließen zu wollen und erklärt: "Man muss aufhören wenn es am schönsten ist." Dies werde ihre letzte Saison dort sein, unterstrich die Sopranistin.
Dirigent Christian Thielemann wurde ebenfalls vom Publikum gefeiert, auch wenn Chor und Orchester an einigen Stellen im ersten Akt auseinandergingen.
Als das Regie- und Bühnenbildteam von Neo Rauch, Rosa Loy und Yuval Sharon endlich zu dritt vor dem Vorhang erschien, nahm der Applaus merklich ab und klang nur noch wie aus reiner Höflichkeit. Bei den Bayreuther Festspielen, wo Regisseure traditionell ausgebuht werden, wird das wahrscheinlich auf der Plusseite gebucht.