Zypern - auf dem Weg zur Einheit?
3. September 2019Der Kontrollpunkt in der Fußgängerzone der zyprischen Hauptstadt Nikosia ist eine Touristenattraktion. Auf dem Weg vom international anerkannten Süden in den türkisch besetzten Norden Nikosias hängt ein Schild über dem Kontroll-Kabuff: "Die letzte geteilte Hauptstadt", steht da - für manche Gäste der bei Europas Urlaubern beliebten Mittelmeer-Insel mag sich da ein schauriges Gefühl in Erinnerung an den Kalten Krieg und die Mauer-Stadt Berlin einstellen.
Für Niyazi Kizilyürek ist es Alltag. Der zyprische EU-Abgeordnete geht durch die Fußgängerzone. Er kommt meist nur ein paar Meter voran, immer wieder schütteln Passanten dem 60-Jährigen freundlich die Hand. Im Mai wurde er ins EU-Parlament gewählt und verströmt seither neue Hoffnung: Er selbst ist Zypern-Türke, lebt und arbeitet aber im griechisch dominierten Süden der geteilten Insel. Entlang der Trennlinie wachen noch immer Blauhelm-Soldaten und Polizisten der Vereinten Nationen über eine Pufferzone, mittlerweile vor allem mit Kameras. Es ist die älteste bestehende UN-Mission. In der Fußgängerzone nennen sie viele nur die Urlaubs-Mission der UN. Seit September 2003 ist der Übergang in der Fußgängerzone von Nikosia geöffnet. Damals überraschte die zyprisch-türkische Führung im Norden damit, dass sie die Mauer durchlässig machte. Seither aber ist eine Vereinigung nicht näher gerückt.
Gescheitertes Referendum 2004
Zypern ist seit 1974 geteilt. Damals intervenierte die Türkei militärisch, nachdem zyprisch-griechische Nationalisten zunächst putschten, um dann den Anschluss an Griechenland anzustreben. Die Türkei ist das einzige Land, das die Unabhängigkeit der Türkischen Republik Nordzypern (TRNC) anerkennt, die von der internationalen Gemeinschaft als Teil der Republik Zypern angesehen wird.
Im Mai 2004 trat Zypern der Europäischen Union bei, zuvor sollte mit einem Referendum die Teilung überwunden werden. Die griechischen Zyprer lehnten den Einigungsvertrag mehrheitlich ab – für sie sah er zu viele Zugeständnisse an die türkischen Nord-Zyprer vor. Die Hoffnung, dass mit der EU-Erweiterung auch das Zypern-Problem endlich gelöst werden könnte, verfing nicht.
Überraschungserfolg bei den EU-Wahlen
Gleich neben dem Fußgänger-Checkpoint floriert eine Taverne, die türkischen Kaffee verkauft, der hier zyprischer Kaffee genannt wird. Niyazi Kizilyürek lacht, während er einen bestellt. Der Politologe von der Universität von Zypern im griechisch-zyprischen Landesteil, hat für seine Kandidatur für das EU-Parlament den Professorenstuhl verlassen. Er ist jetzt der einzige der sechs zyprischen EU-Abgeordneten, der glaubwürdig beide Insel-Teile im EU-Parlament vertreten kann. Nach seinem Studium in Deutschland war er vor mehr als 20 Jahren in seine Heimat zurückgekehrt, um vor Ort über das griechisch-türkische Drama von Zypern zu forschen und zu lehren.
Er als türkisch-stämmiger Zyprer ging dazu in den griechischen Süden. Kizilyürek sieht sich als Föderalist und seinen Wahlerfolg als Zeichen dafür, "dass der Nationalismus auf Zypern" eine Niederlage erfahren hat. Die EU-Wahl 2019 sei ein "Sieg für den Föderalismus", sagt er. Zum Wahlsieg haben ihm Stimmen aus beiden Insel-Teilen verholfen. Allein 6000 türkische Zyprer sind eigens vom Norden in Wahllokale im Süden gekommen, um ihn zu wählen. "Es wären auch noch viel mehr geworden", glaubt er – wenn das zyprische Wahlsystem einfacher wäre.
UNO sondiert neue Verhandlungen
Beim Gang durch die Fußgängerzone wechselt seine Sprache fließend zwischen türkisch, griechisch, englisch und deutsch. Doch seine Leichtigkeit verfliegt, wenn das Gespräch auf das Problem mit den Gasreserven vor Zypern kommt. "Die großen Energiemultis sind alle schon da", sagt Kizilyürek. Im östlichen Mittelmeer kreuzen Forschungsschiffe. Das Problem erschwert den Beginn von Verhandlungen über die Zypernfrage. Denn die Türkei pocht darauf, dass die Zypern-Türken ihren Anteil am Gas bekommen. Die internationale Gemeinschaft, vorneweg die EU, steht jedoch auf griechischer Seite und lehnt das Engagement der Türkei und ihrer Erkundungsschiffe in der Region ab.
Jetzt startet UN-Generalsekretär Antonio Guterres einen neuen Versuch, griechische und türkische Zyprer wieder zu Gesprächen an einen Tisch zu bekommen. Im August hieß es in einer Erklärung der Vereinten Nationen: "Die beiden Staats- und Regierungschefs haben sich bereit erklärt, nach der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September ein Dreiertreffen mit dem Generalsekretär abzuhalten, um den weiteren Weg zu planen." Jane Holl Lute, Guterres Zypern-Beauftrage, führt getrennte Gespräche mit griechischen und türkischen Zyprern - in der Hoffnung, sich auf einen Fahrplan zu einigen, der die neue Verhandlungsrunde bilden würde. Ausgang ungewiss. Der frisch gewählte EU-Abgeordnete Kizilyürek will sich darauf nicht ausruhen. Unabhängig davon, ob die politischen Gespräche Erfolg haben oder nicht – "für mich ist entscheidend, dass die Menschen zusammen kommen". Sagt's und schüttelt wieder ein paar Hände.