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Zypern flieht unter den Rettungsschirm

Daphne Grathwohl28. Juni 2012

Zypern muss unter den Rettungsschirm. Dabei galt es lange als gut verwaltetes, reiches Steuerparadies. Hubert Faustmann von der Universität Nicosia über die Gründe für die Wirtschaftskrise Zyperns - und ihre Folgen.

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Symbolbild: Karte von Zypern mit Euromünze (Foto: dpa)
Zypern flieht unter Euro-RettungsschirmBild: picture alliance/chromorange

DW: Woher kommen die wirtschaftlichen Probleme Zyperns, das - zumindest im Vergleich zum sogenannten Mutterland Griechenland – lange Zeit wirtschaftlich stabil war?

Der Eindruck ist sicher richtig. Das war lange Jahre eine Insel der Seligen mit stetigem Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung. Für die jetzige Finanzkrise auf Zypern gibt es zwei Gründe: Zum einen sind die beiden großen Banken auf Zypern einfach zu groß für diese Insel geworden. Sie haben massiv in Griechenland investiert und werden jetzt durch Griechenland herunter gezogen. Der Staat muss nun versuchen, diese Banken aufzufangen, weil sie einfach so systemrelevant sind, dass Zypern deren Untergang nicht verkraften kann. Aber der zweite Grund ist, dass die zypriotischen Staatsfinanzen mittlerweile ebenfalls ziemlich zerrüttet sind. Das hat auch damit zu tun, dass die Ausgaben zugenommen haben: Denn es gibt auch hier einen aufgeblähten und sehr gut bezahlten Verwaltungsapparat. Die entsprechenden Reformen sind in den letzten Jahren versäumt worden.

Prof. Dr. Hubert Faustmann, Associate Professor und Historiker an der Universität Nikosia, Zypern. (Foto: privat)
Beobachtet die Verhältnisse auf Zypern seit Jahren: Hubert FaustmannBild: Hubert Faustmann

Also ist es eine ähnliche Situation wie in Griechenland?

In Griechenland waren die Banken in Ordnung und die Regierung war marode. Auf Zypern stimmen beide Faktoren nicht mehr: Da sind zum Einen die Banken, die jahrelang das wirtschaftliche Rückgrat darstellten, expandierten und Gewinne erwirtschafteten. Sie trugen zwar viel zum Wohlstand bei, sind dann aber einfach zu groß geworden. Zum Anderen gibt es die Parallele zu Griechenland – wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß - nämlich ein ebenfalls aufgeblähter Verwaltungsapparat.

Zypern wirkte - wohl auch durch seine Vergangenheit als britische Kronkolonie - immer etwas disziplinierter und auch im internationalen Wirtschaftsleben etwas versierter als Griechenland.

Das ist auch so. Dieses Land ist deutlich besser verwaltet, deutlich effizienter. Auch die Staatsverschuldung ist mit 70 Prozent eigentlich nicht allzu hoch. Das war Jahre lang ein grundsolides und auch recht gut geführtes Land. In diesem Wohlstand wurden immer neue Beamte eingestellt. Und irgendwann wurde die Rechnung zu groß.

Wird die Regierung tatsächlich mit der Troika kooperieren?

Das ist die große Frage. Sie hoffen ja, dass ihnen die Troika erspart bleibt. Es wird noch darüber spekuliert, ob die Regierung Zyperns das spanische Modell bevorzugt, dass man also nur die Banken über die Europäische Union sanieren lässt. Damit würden ihnen die Wirtschaftsreformen erspart bleiben, die sie sicher vermeiden wollen, die die Troika ihnen aufoktroyieren würde. Von dem Internationalen Währungsreform ist noch nicht die Rede. Es wird noch spekuliert, ob sie versuchen, entweder China oder Russland als zweiten Geldgeber zu finden, der dann die finanzielle Lücke im Staatsbedarf schließen könnte. Wenn sich das aber nicht realisieren lässt, dann wird ihnen nichts anderes übrigbleiben, als unter dem EU-Rettungsschirm zu gehen. Und dann droht die Troika und damit genau die Maßnahmen und Reformen, die sie nicht so gerne umsetzen würden.

Wie groß ist denn der Einfluss Russlands tatsächlich?

Ich denke, es wird teilweise ein bisschen überzeichnet: Viele russische Firmen haben zwar Zypern als Steueroase entdeckt, viele Russen sehen die Insel als angenehmen Ort, um hier Urlaub zu machen und Steuern zu sparen. Es gibt also sehr viele Russen und sehr viel Geld, das nach Zypern fließt, niedrig versteuert wird und dann wieder nach Russland – oder auch in die Ukraine - zurückfließt. Das ist natürlich ein großer Wirtschaftseinfluss auf der einen Seite, aber es ist auch ein Kreislauf: Das Geld kommt herein, fließt aber auch wieder heraus.

Politisch steht man sich schon seit langem relativ nah, auch wenn Zypern ein stabiler Teil des Westens und der Europäischen Union ist. In der Zypernfrage steht die griechisch-zypriotisch dominierte Republik Zypern bekanntlich im Konflikt mit der Türkei. Wenn im UN-Sicherheitsrat diese Zypernfrage thematisiert wird, glauben die griechischen Zyprioten nicht ohne weiteres, dass Briten oder Amerikaner sich auf ihre Seite stellen und nicht auf die Seite der Türkei. Denn die Türkei ist für beide sicher wichtiger. Also verlässt man sich schon seit Jahren darauf, dass Russland im Sicherheitsrat negative Entwicklungen unterbindet. Insofern gibt es eine politische Verbindung, aber noch keine politische Abhängigkeit.

Welche Rolle spielen Staaten aus dem Nahen und Mittleren Osten in Zypern? Banken aus der Region, wie die Arab Bank, sind ja schon angesiedelt.

Die Staaten sind hier wenig präsent. In den 1970-er und 1980-er Jahren kamen viele Flüchtlinge aus dem Libanon hierher und trugen mit ihrem Geld zum Wiederaufbau Zyperns nach der türkischen Invasion von 1974 bei. Das waren im Wesentlichen libanesische Geschäftsleute. Damals waren die Libanesen das, was die Russen heute sind. Aber arabische Regierungen haben auf Zypern und auch auf die zypriotische Regierung derzeit sehr wenig direkten Einfluss.

Wie geht die Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Lage um? Würden sie die Reformen mittragen oder wird es Proteste geben wie in Griechenland?

Proteste in dem Ausmaß wie in Griechenland wird es sicher nicht geben. Das ist hier eine deutlich friedlichere, weniger gewaltbereite politische Kultur, auch was Demonstrationen anbelangt. Es wird sicher die ein oder andere Demonstration oder den einen oder anderen Streik geben. Aber es gibt auch ein gewisses Problembewusstsein: Man weiß, dass der Beamtenapparat doppelt so gut verdient, wie die normalen Verbraucher, und weniger arbeitet. Insofern wird ein Teil der Bevölkerung die Reformen mittragen. Aber es gibt auch eine sehr große, privilegierte Schicht, deren Privilegien jetzt beschnitten werden. Und es ist nicht wahrscheinlich, dass sie das so still hinnehmen werden. Aber mit griechischen Verhältnissen hier ist meiner Ansicht nach nicht zu rechnen.

Hubert Faustmann ist Historiker und Professor an der Universität von Nikosia. Dort forscht und lehrt er im Bereich Europäische Studien und Internationale Beziehungen. Seit 2011 ist er Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Zypern.

Das Interview führte Daphne Grathwohl.