Endlich in Sicherheit
31. August 2015Von Wien aus kommend trafen die Menschen in Deutschland ein. Erleichtert lächelten die Männer, Frauen und Kinder, als sie nach ihrer Odyssee über den Balkan deutschen Boden betraten. Ein Großteil der Flüchtlinge kommt aus den Kriegsgebieten Syriens, Nordiraks und aus Diktaturen wie Eritrea sowie aus Afghanistan. Rund 40 Prozent stammen aber auch vom Balkan, sie haben wenig Chancen auf ein Bleiberecht.
Auf dem Bahnsteig berichteten die Neuankömmlinge von ihrer dramatischen Reise. "Letztlich haben sie uns aus Ungarn rausgeworfen, nachdem sie unsere Fingerabdrücke genommen hatten", erzählt ein Jugendlicher namens Mohammad. "Es ist gut hier zu sein, wir sind so glücklich".
Manchmal ruhig, manchmal euphorisch
Augenzeugen berichteten, die Stimmung am Bahnhof sei "ruhig" bis "euphorisch" gewesen. Viele Flüchtlinge hätten bei ihrer Ankunft "Thank you, Germany" oder "We love you, Germany" gerufen. Auch Bürger waren vor Ort und begrüßten die Ankommenden mit Wasser und Lebensmitteln.
Erste Kontrollen fanden am Bahnhof Rosenheim in Bayern statt. Flüchtlinge ohne Papiere wurden dort von der Bundespolizei in Empfang genommen. Später setzte der Zug seine Fahrt nach München fort, wo weitere Menschen ausstiegen. In einer langen Schlange warteten sie auf dem Bahnhof auf ihre Registrierung.
Ungarn reicht die Probleme weiter
Ungarn hatte zuvor Hunderte Migranten mit überfüllten Zügen gen Westen ausreisen lassen und damit das Flüchtlingsproblem an seine Nachbarländer weitergereicht. Am Budapester Ostbahnhof verzichtete die ungarische Polizei überraschend auf ihre bisherigen Bahnsteigkontrollen und löste damit einen regelrechten Flüchtlingsansturm auf Züge Richtung Wien und München aus.
Nach Angaben der Hilfsorganisation Migration Aid hatten rund 2000 Asylbewerber auf Budapester Bahnhöfen festgesessen, weil ihnen das offenbar überforderte Einwanderungsamt keine Lager mehr zuwies. Nach dem Polizeiabzug bildeten sich laut ungarischen Medien Schlangen vor den Fahrkartenschaltern, von wo aus die Menschen dann in die Waggons strömten.
In der österreichischen Hauptstadt demonstrierten etwa 20.000 Menschen für einen besseren Umgang mit Flüchtlingen. Die Teilnehmer einer Kundgebung trafen sich vor dem Westbahnhof und zogen dann weiter durch das Zentrum der österreichischen Hauptstadt. Der Fund eines Lastwagens mit 71 toten Flüchtlingen auf einer Autobahn im Burgenland hatte in der vergangenen Woche für Entsetzen gesorgt.
EU drängt auf Registrierung
Die EU-Kommission ermahnte Ungarn, europäisches Recht einzuhalten und alle ankommenden Flüchtlinge mit Fingerabdrücken zu registrieren. In der EU gilt die sogenannte Dublin-Verordnung, wonach derjenige Staat für das Verfahren eines Asylbewerbers zuständig ist, in dem dieser erstmals europäischen Boden betreten hat. Wer über ein anderes EU-Land nach Europa eingereist ist, wird dorthin zurückgeschickt. Deutschland wies den Vorwurf Ungarns zurück, diese Regel durch "nachgiebigeres Verhalten" zu brechen.
Die östlichen EU-Staaten Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn wollen nach Kritik an ihrer Haltung das gemeinsame Vorgehen am Freitag auf einem Gipfeltreffen in Prag abstimmen. Die vier Länder gelten als Gegner fester Umverteilungsquoten und befürworten eine vergleichsweise harte Asylpolitik. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico kündigte an, dem Druck der westlichen EU-Staaten nicht nachzugeben: Verpflichtende Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU würden "nur die organisierte Kriminalität" fördern.
Der Aufruf der Kanzlerin
Bislang nehmen einige wenige Staaten, darunter Deutschland, das Gros der Flüchtlinge auf. Kanzlerin Angela Merkel appellierte in Berlin an die Deutschen, Mitgefühl zu zeigen. Die meisten Flüchtlinge hätten Angst- und Erschöpfungszustände erlebt, unter denen die meisten Menschen zusammenbrechen würden.
"Wir achten die Menschenwürde jedes einzelnen", sagte die CDU-Vorsitzende. Politisch Verfolgte hätten in Deutschland ein Anrecht auf Asyl. Auch Flüchtlingen aus Kriegsgebieten werde geholfen.
Den Teilnehmern fremdenfeindlicher oder rechtsradikaler Ausschreitungen drohte sie Konsequenzen an: Man werde sich mit der "ganzen Härte unseres Rechtsstaates" gegen diejenigen wenden, die andere angriffen und anpöbelten.
Bayern setzt auf beschleunigte Asylverfahren
Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) eröffnet an diesem Dienstag in Manching bei Ingolstadt die bundesweit erste Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive. Angesichts der weiter steigenden Zugangszahlen sollen diese Asylverfahren beschleunigt werden, teilte das Sozialministerium mit.
haz/sc (dpa, rtr, afp)