Blutige Unruhen am Jahrestag
25. Januar 2014Die größte Kundgebung gab es auf dem zentralen Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo. Dort, wo der Volksaufstand gegen den langjährigen Machthaber Hosni Mubarak und später gegen dessen gewählten Nachfolger von den Muslimbrüdern, Mohammed Mursi, seinen Ausgangspunkt genommen hatte, feierten tausende Menschen Armeegeneral Abdel Fattah al-Sissi als neuen Hoffnungsträger. Al-Sissi ist derzeit stellvertretender Regierungschef und Verteidigungsminister.
Straßenschlachten in Kairo
Gleichzeitig kam es am Samstag bei Protesten islamistischer wie auch säkular-demokratisch gesonnener Demonstranten gegen die Armee zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. In seiner jüngsten Bilanz berichtet das staatliche Fernsehen von insgesamt 49 Toten und mehr als 1000 festgenommenen Personen.
In Kairo feuerte die Polizei scharfe Munition über die Köpfe der Demonstranten. Sie hatten sich versammelt, um in Richtung Tahrir-Platz zu marschieren. Die Gruppe aus rund 1000 Demonstranten aus dem liberal-säkularen Spektrum, aber auch einiger Anhänger der Muslimbrüder, rief Parolen gegen die Armee und die von ihr eingesetzte Regierung. Die Polizei ging zusätzlich mit Schrotmunition und Tränengas gegen die Demonstranten vor. Tote gab es auch bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des entmachteten islamistischen Präsidenten Mursi und der Polizei in Alexandria und Minja.
Zu der Anschlagsserie gegen Polizeieinrichtungen vom Vortag bekannte sich inzwischen eine al-Kaida nahestehende Gruppe. Auch am Samstag gab es mehrere Anschläge auf Stützpunkte der Sicherheitskräfte. In Kairo detonierte ein Sprengsatz nahe einer Polizeiakademie, und in Suez wurde nach einer Meldung des Staatsfernsehens ein Autobombenanschlag auf eine Kaserne der Bereitschaftspolizei verübt. Über Opfer wurde hier zunächst nichts bekannt.
Al-Sissi läßt sich auf dem Tahrir-Platz feiern
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo wurde Armeechef Al-Sissi begeistert gefeiert. Der Verteidigungsminister, der unter Mubarak Chef des Militärgeheimdienstes war, wurde auf Transparenten und auf unzähligen Plakaten gezeigt. Es gilt als ausgemacht, dass Al-Sissi zum nächsten Präsidenten gewählt wird, sollte er bei der bevorstehenden Wahl antreten. Viele Ägypter sehen in dem General den starken Mann, der das Land wieder in eine wirtschaftliche und politische Vormachtstellung in der Region bringen kann.
Al-Sissi hatte im vergangenen Jahr den ersten frei gewählten Präsidenten, Mursi, gestürzt, Proteste der Muslimbrüder mit harter Faust niederschlagen lassen und sich selbst eine extrem starke Stellung gegenüber der eingesetzten neuen Regierung gesichert. Unter seiner Ägide hatten die Ägypter vor kurzem eine neue Verfassung angenommen, die die Vormachtstellung der Sicherheitskräfte weiter zementiert, allerdings auch mehr Rechte für Frauen vorsieht.
Als Reaktion auf die anhaltende Gewalt rief das Auswärtige Amt deutsche Urlauber in Kairo und anderen Städten auf, am Wochenende im Hotel zu bleiben. Es sei damit zu rechnen, dass es anlässlich des Jahrestags des Volksaufstands zu weiteren Anschlägen sowie Demonstrationen komme, die einen gewaltsamen Verlauf nehmen könnten, erklärte das Auswärtige Amt.
haz/ml (rtr, afp, dpa)