Mehr Nothilfe für Südsudan!
13. Juli 2012
Die Flüchtlingskatastrophe im Südsudan stand im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts der Hilfsorganisation. In weiten Teilen des Landes, das erst vor einem Jahr seine Unabhängigkeit gewann, kämpfen die Menschen ums nackte Überleben. Nahezu drei Viertel der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einfachster medizinischer Versorgung, die Mütter- und Kindersterblichkeit ist laut Frank Dörner, Geschäftsführer der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", eine der höchsten weltweit. Zwar engagiert sich die internationalen Gemeinschaft im Südsudan, doch derzeit liege der Fokus vor allem auf langfristiger Entwicklungshilfe.
Südsudan braucht mehr Nothilfe
Angesichts der Notlage Hunderttausender müsse jedoch umgehend mehr Nothilfe zur Verfügung gestellt werden, forderte Dörner. Die Situation vieler Menschen im Südsudan sei derzeit gekennzeichnet von Gewalt, Vertreibung und Krankheit. Rund 170.000 Menschen seien in den vergangenen Monaten vor gewalttätigen Auseinandersetzungen geflüchtet und täglich kämen Tausend weitere dazu. "Die Flüchtlingslager sind total überfüllt. Es gibt nicht genügend Nahrung und Trinkwasser", sagte Dörner und verwies dabei als jüngstes Beispiel auf Maban im Bundesstaat Upper Nile, "wohin in den letzten Wochen Zehntausende Menschen über die Grenze geflohen sind".
Der Südsudan selbst habe bislang kaum Möglichkeiten, auf akute Notsituationen zu reagieren, so Dörner. Dies sei auch ein Folge des vorangegangenen, jahrzehntelangen Bürgerkriegs. Weil in den Gesundheitssektor bis heute nicht investiert werde, seien Bedürftige nach wie vor massiv von Hilfsorganisationen abhängig.
Besondere Herausforderung Somalia
Als eine besondere Herausforderung bezeichnet der Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", Tankred Stöbe, den Einsatz in Somalia. Vier Wochen lang habe er 2011 in der zerschossenen somalischen Hauptstadt Mogadischu geholfen, ein Ernährungszentrum für schwer mangelernährte Kinder aufzubauen. “Wenige Stunden nach Eröffnung waren bereits die zehn Intensivbetten dieses Krankenhauses gefüllt", berichtete Stöbe.
Von Mai bis Dezember 2011 hätten Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" in Somalia und den Flüchtlingslagern an der Grenze in Kenia und Äthiopien mehr als 110.000 schwer mangelernährte Kinder behandelt. "Die meisten von ihnen in akuter Lebensgefahr", so Stöbe.
Bei ihrer Arbeit in Somalia begeben sich aber auch die Helfer selbst in Lebensgefahr. Dies wurde nicht zuletzt Ende Dezember vergangenen Jahres deutlich, als zwei Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" in Mogadischu erschossen wurden. Zuvor im Oktober 2011 waren bereits zwei spanische Mitarbeiterinnen entführt worden, die somalischen Flüchtlingen im grenznahen Flüchtlingslager Dadaab in Kenia Hilfe geleistet hatten. Ein Krisenteam versucht seitdem alles, um die Freilassung der Festgehaltenen zu erreichen.
Konfliktparteien müssen Neutralität von Helfern und Patienten respektieren
Stöbe betonte, dass "Ärzte ohne Grenzen" eine der ganz wenigen Organisationen in Somalia sei, die auf allen Seiten des Konfliktes arbeite, das heißt, auch in Gebieten, die von Al-Shabab-Milizen und von verschiedenen Clans kontrolliert werden. “Als humanitäre Hilfsorganisation sind wir und die Menschen, denen wir helfen, darauf angewiesen, dass alle Konfliktparteien die Neutralität von humanitären Helfern, aber natürlich auch von Patienten und Gesundheitseinrichtungen respektieren“, erläuterte Stöbe die Voraussetzungen für den Einsatz in Konflikt- und Kriegsgebieten.
Das treffe auch für Syrien zu, betonte Stöbe. Trotz monatelanger Bemühungen habe seine Organisation keine Genehmigung bekommen, im Land selbst zu arbeiten. Aufgrund der schwierigen Situation in Syrien behandeln Mitarbeiter von “Ärzte ohne Grenzen“ syrische Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien.
Zwei Mitarbeiter seien jedoch im Frühjahr trotz der Gefahr in die Region Idlib im Nordwesten Syriens eingereist, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Sie hätten dort auch Verwundete operiert und anschließend berichtet, dass Patienten und Ärzte in Syrien gezielt verfolgt und angegriffen würden.
“Einmal musste ein Team innerhalb von wenigen Minuten aus dem Operationssaal fliehen, weil ein Angriff bevorstand“, erzählte Stöbe, der an alle Konfliktparteien in Syrien appellierte, sicherzustellen, dass Ärzte und Patienten nicht angegriffen und medizinische Einrichtungen als neutrale Orte respektiert werden. “Das ist ein Grundprinzip des Internationalen Völkerrechts, das auch in Syrien gewährleistet sein muss.“