Top-Ökonom warnt vor Verteilungskämpfen
3. Januar 2016"Der Sozialstaat wird durch die freie Zuwanderung zwangsläufig lädiert", sagte Hans-Werner Sinn dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). "Es wird wohl auch die Ärmsten treffen".
Wichtig ist aus Sicht des Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts vor allem die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Man dürfe aber die Qualifikation der Menschen nicht überschätzen, betonte er. "Knapp die Hälfte der Syrien-Flüchtlinge, die in den türkischen Auffanglagern leben, verfügen nicht über die für unsere Welt nötigen Mindestkenntnisse beim Rechnen."
Integration nicht über neue Schulden finanzieren
Laut Ifo-Berechnungen wird die Integration der Flüchtlinge den deutschen Staat allein in diesem Jahr 21 Milliarden Euro kosten. Sinn riet davon ab, die Ausgaben über neue Schulden zu finanzieren. "Wir müssen auf den laufenden Haushalt zurückgreifen", sagte der Institutschef. Das sei auch möglich. "Im Moment haben wir noch Überschüsse, die schwarze Null ist 2016 zu halten."
Um die Kosten für die Flüchtlinge zu finanzieren, müssten Abstriche gemacht und Ausgaben gekürzt werden. "Das ist eine schwierige politische Entscheidung", so Sinn.
Mindestlohn nicht nur bei Flüchtlingen lockern
Vorschläge, bei Flüchtlingen auf den Mindestlohn zu verzichten, damit sie leichter Jobs finden, lehnte der Ökonom ab. "Man kann nicht nur Flüchtlinge ausnehmen", sagte er. "Dann würden sie die Einheimischen unterbieten und ihnen die Jobs wegnehmen."
Stattdessen setzt sich Sinn für eine generelle Reform des Mindestlohns sein. "Man
müsste für alle Berufsanfänger eine Ausnahme machen - sowohl für Einheimische als auch für Flüchtlinge", erklärte der Ifo-Chef. In den "ersten Jahren der Berufstätigkeit" sollte der Mindestlohn seiner Ansicht nach "generell nicht gelten".
gri/chr (kna, epd, dpa)