Ölförderung im Tschad: Das gescheiterte Modellprojekt
Seit zehn Jahren fördert der Tschad Erdöl. Das Vorhaben galt als internationales Modellprojekt zur Armutsbekämpfung. Doch die Petrodollars kommen bei den Menschen nicht an - viele haben ihre Lebensgrundlage verloren.
Große Hoffnungen
In den 70er Jahren gründet sich ein Konsortium unter der Führung von Esso, um die Erdölvorkommen im Doba-Becken im Süden des Landes zu erforschen. Die Region gilt als die drittärmste des Landes. Außerdem soll eine Pipeline nach Kamerun bis zum Atlantik gebaut werden, um das Öl zu exportieren. Die Bewohner in der betroffenen Region werden nur sporadisch in die Planung miteinbezogen.
Mit dem Stock "für Frieden und Toleranz"
Anfang der 90er Jahre dann wird es konkret: Präsident Idriss Déby treibt die Erdölförderung mit harter Hand voran. Gegner des Projekts werden schikaniert. 1998 macht Déby ein Zugeständnis an die Kritiker: Teile der Erdöleinnahmen sollen in einem Fonds für zukünftige Generationen angelegt werden. Auch die lokale Bevölkerung in der Förderregion soll direkt von den Petrodollars profitieren.
Das Modellprojekt geht an den Start
Das Gesetz überzeugt die Weltbank. Trotz Bedenken von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen erklärt sie im Jahr 2000 die Ölförderung im Tschad zum Modellprojekt für die Armutsbekämpfung in Afrika und sagt Förderung zu. Drei Jahre später fließt das erste Öl. Heute gibt es 804 Bohrlöcher - mehr als doppelt so viele wie geplant. Pumpen stehen teils am Rand der Dörfer, Pipelines laufen hindurch.
Mit den Bohrtürmen kommt die Krankheit
Das Erdöl-Konsortium unter der Führung des Konzerns Esso wirbt gemeinsam mit dem tschadischen Staat für den Schutz vor AIDS. Viele Tschader sind in die Erdölregion gekommen, um einen Job zu finden - sie bringen auch den tödlichen Virus in das zuvor abgeschiedene Gebiet. Inzwischen hat die Region die höchste Rate an HIV-Infizierten im Land. Programme zur Versorgung der Kranken gibt es nicht.
Hoffnung auf bessere Gesundheitsversorgung
Zu Beginn vertraut die Bevölkerung den Versprechen zur Armutsbekämpfung. Sie setzt große Hoffnung in die Entwicklung ihrer Region durch die Erdölförderung. Die Gesundheitsversorgung ist schlecht, die wenigen vorhandenen Krankenstationen sind nur rudimentär ausgestattet. Das alles soll sich durch die Erdöleinnahmen ändern.
Die Ernüchterung
Nach einem Jahrzehnt hat sich das Leben der Bewohner des Doba-Becken nicht verbessert - im Gegenteil: Ihr Land hat zwar rund 8 Milliarden Euro durch das Öl eingenommen, doch im UN-Entwicklungsindex steht es auf Platz 184 von 186. Die Weltbank hat die Förderung beendet, weil der Tschad seine Versprechen nicht hielt. 33 Dörfer versorgt diese Krankenstation. Sauberes Wasser hat sie nicht.
Verwüstung der Natur
Wo früher Vieh weidete, herrscht heute Dürre: Die Dörfer sind durch Pipelines und Förderanlagen eingekeilt. Die Bewohner können die Böden nicht mehr nutzen, und das Land liegt brach. Die Felder sind ausgelaugt, Früchte und Brennholz knapp geworden. Viele Familien mussten die Viehzucht aufgeben. Die wenigen gezahlten Entschädigungen seien viel zu gering, klagen sie.
Gebrochene Versprechen
Auguste Djinodji (Mitte) ist der Älteste des Dorfes Maïkeri. Mit seinen 99 Jahren kann er sich noch gut an die Verheißungen aus den 70er Jahren erinnern. Heute ist er desillusioniert: "Wir sind wie Tote, deren Arme und Beine zusammengebunden und im Sarg verstaut wurden. In meinem Alter kann ich schon ins Grab, aber nicht die Kinder. Helft ihnen, hier weg zu kommen!"
Gefangene im eigenen Dorf
Ein Auto haben nur wenige - etwa die privaten Sicherheitsleute der Ölfirmen. Weil die Regierung die Petrodollars dringend braucht, lässt sie die Förderanlagen gut bewachen. Abends trauen sich Bewohner der Region nicht mehr vor die Tür. Licht gibt es nicht: Obwohl die Generatoren für die Erdölförderung mehr Strom als im gesamten übrigen Land produzieren, haben die Dörfer keine Elektrizität.
Tropfen auf das heiße Wellblech
Manche Dörfer bekommen Flächen wie diese als Entschädigung für die Landenteignung - manche auch einen Container, der als Schule dienen soll. Der ist aber wenig hilfreich: Bei Temperaturen von mehr als 40 Grad im Schatten heizt sich das Wellblech auf. Die Kinder gehen trotzdem hin. "In Ermangelung eines Pferdes nimmt man den Esel", sagt die Lehrerin.
Armut trotz Reichtum
Obwohl unter ihnen im Boden das schwarze Gold im Wert vieler Millionen Euro liegt, müssen die Bewohner im Doba-Becken mit Benzin aus Flaschen auskommen. Die durchschnittliche Lebenserwartung im Tschad liegt bei knapp 50 Jahren, rund 80 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Der Reichtum in ihrer Erde gehört ihnen nicht.