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Österreich will mehr Flüchtlinge abweisen

15. Januar 2016

Es ist eine Kettenreaktion: Deutschland schickt mehr Flüchtlinge nach Österreich zurück - und jetzt legt Wien die Hürden höher. Auch der Druck auf Angela Merkels Willkommenskurs wächst.

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Flüchtlingsfamilie bei Hanging (Österreich) an der Grenze zu Deutschland (Archivbild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel)
Flüchtlingsfamilie bei Hanging (Österreich) an der Grenze zu Deutschland (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Österreich hat angekündigt, ab Ende kommender Woche nur noch Flüchtlinge durchreisen zu lassen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen. Wer dagegen beabsichtige, nach Skandinavien weiterzuziehen, werde bereits an der Südgrenze zurückgewiesen, kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im ORF-Radio an.

Damit werde auch auf die Entwicklung an der österreichisch-bayerischen Grenze im Norden reagiert. Dort würden jeden Tag 200 bis 300 Flüchtlinge zurückgeschickt, die nicht in Deutschland Asyl beantragen, sondern nur durchreisen wollten, zum Beispiel nach Schweden.

"Wir sind am Limit"

Österreich werde eine noch nicht festgelegte Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einführen, erklärte Mikl-Leitner. "Jene, die über der Obergrenze liegen, werden in sogenannten Transitzonen oder Pufferzonen untergebracht", so die Ministerin. "Sie werden nicht mehr ins Land gelassen, sondern dort versorgt und sonst nirgendwo."

Die in diesem Jahr prognostizierten 120.000 Asylanträge in Österreich überstiegen die Möglichkeiten des Landes, sagte Mikl-Leitner. "Jeder weiß, dass das nicht geht." Österreich sei "am Limit". Allein durch die Einführung einer Obergrenze würden bereits weniger Flüchtlinge kommen.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (Archivbild: APA/ROLAND SCHLAGER)
"Jeder weiß, das das nicht geht": Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (Archivbild)Bild: Reuters/H.-P. Bader

Die Politikerin der konservativen ÖVP forderte ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner zu einem Kurswechsel in der Flüchtlingskrise auf: "Die SPÖ muss sich von der Willkommenskultur verabschieden." Kanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte zuletzt zwar schärfere Maßnahmen nicht ausgeschlossen - Obergrenzen lehnt er bislang jedoch ab.

Norwegen kontrolliert weiter

Norwegen hat unterdessen angekündigt, seine Grenzkontrollen bis Mitte Februar zu verlängern. Die Anzahl der Flüchtlinge sei bereits "deutlich gesunken", seit das Land die Passkontrollen eingeführt habe, teilte das Justizministerium in Oslo mit. Die Kontrollen seien aber weiterhin nötig, um die öffentliche Ordnung zu sichern.

Auch Dänemark will die Passkontrollen an der Grenze zu Deutschland mindestens bis zum 3. Februar aufrechterhalten. Das Parlament in Kopenhagen behandelt derzeit einen Gesetzentwurf, mit dem das Asylrecht weiter verschärft werden soll.

"Wer Schengen killt, trägt den Binnenmarkt zu Grabe"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht die Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten nach eigenen Worten mit großer Sorge. "Wer Schengen killt, wird im Endeffekt den Binnenmarkt zu Grabe getragen haben", sagte Juncker. Grenzkontrollen bedeuteten Wartezeiten und damit höhere Kosten, die schnell in die Milliarden gehen könnten.

Letztlich könne dies zu einem Arbeitslosenproblem führen, "das nicht mehr beherrschbar sein wird", sagte Juncker. Dann würden "der wirtschaftliche Preis und der Verlust an Wachstum und die Beschädigung europäischer Wachstumsperspektive enorm sein".

"Umverteilung muss kommen"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Archivbild: ANP ROBIN VAN LONKHUIJSEN)
"Enorme Folgekosten": EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Archivbild)Bild: picture alliance/ANP/R. van Lonkhuijsen

Juncker zeigte sich entschlossen, die vor allem in Osteuropa abgelehnte Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchzusetzen. "Relokalisierung muss stattfinden", sagte er. "Das geht nicht, dass einige sagen, wir nehmen überhaupt keine Flüchtlinge in unseren Ländern auf."

Die EU-Staaten haben schon vor Monaten beschlossen, 160.000 Flüchtlinge aus den Hauptankunftsländern Italien und Griechenland auf alle EU-Staaten zu verteilen. Mehrere osteuropäische Länder weigern sich jedoch kategorisch, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher wurden weniger als 300 Menschen in andere EU-Länder gebracht.

"Willkommenskultur nicht demokratisch legitimiert"

In Deutschland wächst derweil der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), von ihrer erklärten Willkommenskultur abzurücken. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte eine Bundestagsabstimmung über die Flüchtlingspolitik. Die Linie der Bundeskanzlerin sei "nicht demokratisch legitimiert", sagte er laut Vorabbericht dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

"Wenn wir einige Bundeswehrsoldaten in einen Auslandseinsatz schicken, muss der Bundestag zustimmen. Wenn wir mehr als eine Million Menschen in unserem Land aufnehmen, dann sollte das Parlament ebenfalls die letzte Entscheidung haben", so Söder.

"Bundestag ist nie gefragt worden"

Mit Blick auf den Entschluss vom September, die Grenzen zu öffnen, sagte der CSU-Politiker, dies sei "vielleicht aus humanitären Gründen nicht anders möglich" gewesen. Aber der Bundestag sei nie gefragt worden, ob er "die dauerhafte Fortsetzung des Ausnahmezustandes" wolle.

Söder, der als möglicher Nachfolger von CSU-Chef Horst Seehofer gilt, forderte nationale Lösungen in der Flüchtlingsfrage. Eine europäische Lösung, wie Merkel sie anstrebe, sei kaum in Sicht. Das Zeitfenster werde enger, sagte der CSU-Politiker. Die Deutschen erwarteten ein Signal, dass sich etwas ändere.

jj/kle (dpa, afp, rtr)