ÖVP und FPÖ bekennen sich zur EU
16. Dezember 2017Tusk hatte in einem Schreiben an die EU-Staaten die Aufnahme von Flüchtlingen als Pflichtaufgabe infrage gestellt. Die Umverteilung von Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union sei wirkungslos. Lösungen für eine Migrationspolitik könnten nur die Einzelstaaten der EU finden, nicht aber die EU selber. Damit hatte Tusk für viel Wirbel gesorgt.
Der designierte Bundeskanzler Sebastian Kurz betonte, dass an der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union und in anderen internationalen Organisationen nicht gerüttelt werden dürfe. Volksabstimmungen zu dem Thema werden in den kommenden fünf Jahren nicht erlaubt sein, auch wenn die direkte Demokratie in allen anderen Bereichen gestärkt werden soll. "Nur in einem starken Europa kann es auch ein starkes Österreich geben, in dem wir in der Lage sind, die Chancen des 21. Jahrhunderts zu nutzen", heißt es im Vorwort des über 180 Seiten starken Programms von ÖVP und FPÖ. Beide Parteien fordern jedoch, dass sich die EU auf Kernkompetenzen beschränken und den nationalen Entscheidungen mehr Raum lassen soll.
Das klare Nein zu einem "Öxit" war ausdrücklicher Wunsch der konservativen Volkspartei ÖVP. Die Rechtspopulisten hätten sich eine Bürgerbefragung zu dem Thema durchaus vorstellen können. "Das muss man auch akzeptieren, dass es eine Partnerschaft gibt, wo jeder seine Position hat", sagte der Vorsitzende der rechten FPÖ Heinz-Christian Strache.
Einen EU-Beitritt der Türkei lehnen beide Parteien ab. Einige Abteilungen des Außenministeriums, die sich mit der EU beschäftigen, werden ins Kanzleramt ziehen, darunter die Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Österreich in der zweiten Jahreshälfte 2018.
Kurz bezeichnete die Zusammenarbeit mit dem künftigen Koalitionspartner FPÖ als besonders positiv. "Wir haben den Willen bei der FPÖ gespürt, eine echte Veränderung im Land einzuleiten", sagte Kurz.
Mehr innere Sicherheit
Ziel von ÖVP und FPÖ ist zudem, wie schon im Wahlkampf häufig versprochen, die illegale Migration zu stoppen und Asylverfahren zu beschleunigen. Der Kampf gegen den politischen Islam gehört zu den Prioritäten der neuen Regierung. Außerdem sollen 2100 zusätzliche Polizisten eingestellt werden. Beim Thema Inneres soll es zu Verschärfungen kommen. Für Gewalt- und Sexualverbrechen sind härtere Strafen vorgesehen.
Geplant ist auch ein Bürokratieabbau. Für Arbeitnehmer sollen flexiblere Arbeitszeiten gelten. Nach 40 Jahren im Beruf soll künftig eine Mindestrente von 1200 Euro gelten. Die Regierung selbst hat sich eine Nulllohnrunde und einen respektvollen Umgang miteinander verordnet. Nach außen soll das Bündnis durch einen neu eingeführten Regierungssprecher vertreten werden.
Der Ministerrat wird künftig aus 16 Personen bestehen. Auf Seite der ÖVP finden sich Bundeskanzler Sebastian Kurz, sieben Minister und eine Staatssekretärin. Von der FPÖ kommen sechs Minister inklusive Vizekanzler Heinz-Christian Strache und ein Staatssekretär. Die Schlüsselressorts wie Außen-, Innen- und Verteidigungsministerium gehen alle an die FPÖ. Das einzige Regierungsmitglied aus der vergangenen Legislaturperiode ist Sebastian Kurz, der zuletzt Außenminister in der Koalition mit der SPÖ war.
Merkel-Kritikerin im Außenamt
Die langjährige Diplomatin Karin Kneissl übernimmt das Außenamt. Sie gilt vor allem als Nahost-Expertin. Ihr wird schon seit langem ein enges Verhältnis zur FPÖ nachgesagt. Für die Rechtspopulisten geht sie nun als Unabhängige auf die Regierungsbank. Die studierte Juristin und Arabistin war von 1990 bis 1998 im diplomatischen Dienst tätig. Kneissl gehört in der Flüchtlingsfrage zu den Kritikern der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Auch wenn die neue Wiener Ministerin als proeuropäisch gilt, hat sie die Brüsseler Politik oftmals hart kritisiert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete sie im Vorjahr als "Zyniker der Macht", "rüpelhaft" und "arrogant".
FPÖ-Ideologe Herbert Kickl wird als Innenminister fungieren. Er gilt als Hardliner. Der FPÖ-Plakatspruch "Daham statt Islam" geht auf ihn zurück. Der Mann mit der schmalrandigen Brille schrieb schon Reden für den tödlich verunglückten Rechtspopulisten Jörg Haider. Jacques Chirac, damals Frankreichs Präsident, wurde da zum "Westentaschen-Napoleon". Nachdem Haider die FPÖ verlassen hatte, blieb Kickl seiner politischen Heimat treu und begann mit Strache die Partei aus dem Umfragetief wieder aufzubauen. Dabei benutzt er sein Talent für Zuspitzungen und für Themen, die in der Bevölkerung brennen. Kickl ist im Gegensatz zu vielen FPÖ-Abgeordneten nie Mitglied einer Burschenschaft gewesen.
Stabsunteroffizier Mario Kunasek wird der neue Verteidigungsminister des Landes. Der 41-Jährige FPÖ-Politiker forderte Menschenrechtsgruppen zufolge in der Vergangenheit eine nächtliche Ausgangssperre für Asylsuchende und einen begrenzten Zugang zum Gesundheitssystem.
Der 46-jährige Norbert Hofer kümmert sich um die Infrastrukturaufgaben. Hofer unterlag 2016 als FPÖ-Kandidat dem früheren Grünen-Chef Alexander Van der Bellen bei der Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten.
Der Versicherungsmanager und politische Quereinsteiger Hartwig Löger wird für die ÖVP Finanzminister. Der 52-jährige Chef der Österreich-Tochter des Versicherungskonzerns Uniqa folgt auf Hans-Jörg Schelling. Der gelernte Versicherungsmanager war früher für die Allianz in der Steiermark und für die Grazer Wechselseitige Versicherung tätig.
Justizminister wird Josef Moser. Der ÖVP-Politiker war zuvor Präsident des österreichischen Rechnungshofes.
Das Kanzleramt wird künftig von Gernot Blümel geleitet. Der 36-jährige Blümel ist ein enger Vertrauter Kurz' und soll die EU-Politik koordinieren.
Vereidigung am Montag beim Bundespräsidenten
Bundespräsident Alexander Van der Bellen will nach eigenen Aussagen vor der geplanten Vereidigung am kommenden Montag alle vorgeschlagenen Minister noch persönlich kennenlernen. Er hat die Befugnis, einzelne Minister abzulehnen. Van der Bellen sagte jedoch, dass der Vereidigung aber wohl "nichts im Wege" stehe. Früher hatte er sich deutlich kritischer über eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten geäußert.
cgn/as (dpa, rtr)