Über Havanna wehte Berliner Luft
10. April 2015"Alemania Democrática"? Viele Kubaner erinnern sich gerne an ihre Zeit als Student oder Vertragsarbeiter in der Deutschen Demokratischen Republik. Rund 30.000 Männer und Frauen studierten und arbeiteten damals in der DDR. Die Kubaner waren eine der größten Einwanderergruppen im Arbeiter- und Bauernstaat.
Noch heute erinnern auf Kuba Waschmaschinen der Marke "WM 66", Motorräder der sächsischen Marke "MZ" und Kühlschränke aus dem VEB Deutsche Kühl- und Kraftmaschinengesellschaft an die Verbindungen zwischen den beiden Ländern. Die kubanischen Vertragsarbeiter kauften die begehrten Konsumgüter mit ihrem "Ferngeld" und ließen sie als Symbole des neuen Wohlstands in ihre Heimat schicken.
"Alle haben Erinnerungen an die DDR, und sie haben vielleicht eine Veränderung vor sich, die viele in Ostdeutschland hinter sich haben", meint die Studentin für internationale Beziehungen Claudia Günther aus Jena. Sie verbrachte ein Auslandssemester in Havanna und sprach über ihre Erfahrungen mit der Wochenzeitung "Die Zeit". "Viele Leute stellen sich Fragen, zum Beispiel: Wie viel und welchen Kapitalismus wollen wir zulassen?", erinnert sich die 25-Jährige.
Eine Insel für Honecker
In der DDR wiederum galt Kuba als tropische Idylle und Projektion unerfüllter Sehnsüchte. Fidel Castro verstand es, diese Gefühle politisch zu nutzen. Bei seinem Staatsbesuch 1972 in der DDR "schenkte" er Erich Honecker ein kleines unbewohntes Eiland vor der Südküste Kubas, das er mit dem Namen Isla Cayo Ernesto Thaelmann versah. Auf dem weißen Sandstrand ließ er eine Büste des ehemaligen Parteivorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands aufstellen.
Schon 1963 nahmen Kuba und die DDR diplomatische Beziehungen auf. Ost-Berlin kaufte kubanischen Zucker, Zitrusfrüchte und Nickel und half Havanna beim Aufbau des Bildungssystems. Außerdem spendete das SED-Regime Motoren und Maschinen. 1980 lieferte die DDR das damals größte Zementwerk Südamerikas nach Kuba.
Sogar die sexuelle Aufklärung der kubanischen Bevölkerung lag in den Händen der DDR. Monika Krause, die sich in den 1960er Jahren in Rostock in einen kubanischen Kapitän verliebte und mit ihm nach Havanna auswanderte, löste dort eine kulturelle Revolution aus. "Die Königin der Kondome" baute im Auftrag der kubanischen Regierung ein "Nationales Zentrum für Sexualerziehung" auf und wurde durch ihre Fernseh- und Radioauftritte landesweit bekannt.
Sex und Sozialismus
Die Männer hassten sie, weil sie gegen die "Machos der Revolution" wetterte. Die Frauen hingegen feierten die Deutsche als Verfechterin der Emanzipation. "Mônica", wie sie in Kuba genannt wurde, dolmetschte auch, wenn Fidel Castro hohen Besuch aus der DDR empfing. Mit ihrer Mission als Sexualaufklärerin im Sozialismus wurde sie im Übrigen von Raúl Castros damaliger Ehefrau Vilma Espin beauftragt.
Doch die Kooperation zwischen den beiden sozialistischen Bruderländern hatte auch dunkle Seiten. Denn Ost-Berlin unterstützte Havanna mit großem Eifer bei der lückenlosen Überwachung und Bespitzelung seiner Bürger. Nach Angaben des kubanischen Regimekritikers Jorge García Vazquez baute die Staatssicherheit der DDR in den 1960er Jahren den kubanischen Geheimdienst auf.
Kooperation mit der Stasi
"Sowohl die Abhör-, Überwachungs- und Vernehmungsmethoden als auch die ganze Technik wie Kameras, Mikrofone und Wanzen kamen aus Ost-Berlin", erklärte Vazquez in einem Gespräch mit der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). "Es ging von Anfang an um die systematische Liquidierung der Opposition in Kuba und in der DDR".
Vazquez kam 1980 als Dolmetscher kubanischer Vertragsarbeiter in die DDR. Als er für einen kubanischen Musiker, der die DDR verlassen wollte, den Kontakt zur US-amerikanischen Botschaft herstellte, wurde er von der Staatssicherheit verhaftet und nach Kuba ausgewiesen. Seit 1992 lebt er in Berlin und klärt als Journalist und Fremdenführer über die Kooperation der Geheimdienste auf.
Mit dem Ende der DDR verlor Kuba im wiedervereinigten Deutschland politisch drastisch an Bedeutung. So wurde erst im Jahr 2000 die Frage der Altschulden Kubas gegenüber der DDR durch ein Umschuldungsabkommen geregelt. Die offizielle Entwicklungszusammenarbeit ist seit 2003 eingestellt, bilaterale Abkommen gibt es ebenfalls nicht.
Havanna lockt
Doch nun soll alles anders werden. "Die Bundesregierung muss endlich ihre ideologische Blockade gegen eine Normalisierung der Beziehungen mit Kuba beenden und stattdessen die sozialen Erfolge des Landes anerkennen", fordert die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel. Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linken reist noch bis zum 16. April mit den Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durch Kuba, um die Möglichkeiten bilateraler Abkommen auszuloten.
Angesichts des Tauwetters zwischen den USA und Kuba stehen auch die Chancen für eine deutsch-kubanische Wiederannäherung gut. Jorge García Vazquez kann die Begeisterung für die Alt-Revolutionäre in Havanna dennoch nicht nachvollziehen. "Viele europäische und lateinamerikanische Intellektuelle glorifizieren nicht eine Revolution, sondern eine Diktatur", sagt er und fügt hinzu: "Das ist für mich ein Armutszeugnis".