"Ich will eine aktive Präsidentin werden"
9. April 2019DW: Frau Čaputová, was bedeutet Ihre Wahl zur Staatspräsidentin? Ist sie ein Beweis einer grundlegenden Veränderung in der Gesellschaft? Oder ist sie "nur" der Unzufriedenheit mit der Entwicklung nach der Ermordung von Ján Kuciak und Martina Kušnírová geschuldet?
Čaputová: Es gibt eine Nachfrage nach Veränderung. Es gibt Herausforderungen, denen wir die Stirn bieten müssen. Meine Wahl empfinde ich auch als einen Beleg dafür, dass man einen Wechsel erringen kann, der korrekt, friedlich und sachlich ist. Und dass man dabei dem Populismus und persönlichen Angriffen ausweichen kann.
Im Korruptions-Ranking von Transparency International hat sich die Slowakei in den letzten Jahren erheblich verschlechtert. Haben Sie einen Plan, wie das zu ändern ist?
Ja, ich habe einen Plan, weil ich mich damit langfristig und analytisch beschäftigt habe. Auch in der Zusammenarbeit mit Ján Kuciak (Investigativ-Journalist, der umgebracht wurde, Anm. d. Red.). Ich denke, in der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind Systemveränderungen notwendig. Meine Ambition ist es, eine aktive Präsidentin zu werden, die zusammen mit der Regierung nach den bestmöglichen Lösungen sucht, damit die Unabhängigkeit der Justiz von politischen Einflüssen gestärkt wird.
Bleiben wir noch bei Kuciak. Existiert eine Mafia in der Slowakei? Ein Zusammenschluss der organisierten Kriminalität mit der Staatsmacht?
Es gibt gewisse Indizien über die Verflechtung von Menschen aus der Unterwelt mit manchen Vertretern öffentlicher Institutionen. Die Ermittlungen nach dem Mord von Ján und seiner Freundin bringen fast jeden Tag neue Enthüllungen. Einstweilen bewegen wir uns auf der Ebene indirekter Beweise. Aber diese Indizien, die die Ermittlungen bringen, sind ziemlich schaurig.
Wie stellen Sie sich die Kohabitation mit der Regierung der Partei Smer des Ex-Premiers Robert Fico vor?
Ich bin auf eine sachliche und konstruktive Zusammenarbeit mit dieser Partei vorbereitet. Ich bin schon mit dem Premier in Kontakt, der mir einen sehr konstruktiv verfassten Glückwunschbrief geschickt hat, sowie mit dem Außenminister. Ich vertraue darauf, dass wir imstande sind, persönliche Vorbehalte auf die Seite zu schieben, um uns auf eine gute Zusammenarbeit zum Wohl der Slowakei zu konzentrieren.
Glauben Sie, dass Ihr Erfolg einen Einfluss auf das Ergebnis der slowakischen Europa-Wahlen haben wird? Soweit ich es richtig verstehe, ist die Wahlbeteiligung das größte Problem dabei.
Ich würde es mir es sehr wünschen. Es ist wahrhaftig so - mit Blick auf die Wahlbeteiligung waren wir ein Schlusslicht. Ich glaube, dass es gelingen wird, das zu ändern. Ich hoffe, dass die Leute zu den Wahlen kommen werden und sich Menschen wählen lassen, die ein pro-europäisches Empfinden haben.
Bevor Sie in die Politik eingetreten sind, waren Sie in der Zivilgesellschaft tätig. Werden Sie sich jetzt bemühen, sie zu stärken?
Die Zivilgesellschaft ist außergewöhnlich wichtig für das Funktionieren der Demokratie. Sie muss zahlreichen negativen Phänomenen standhalten, wie zum Beispiel der Desinformation. Es gibt sogar Androhungen gegen ihre Vertreter. Ich glaube, alle drei Sektoren sind für das qualitative Funktionieren der Demokratie nötig.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Sie nach Berlin eingeladen, den 30. Jahrestag des Falls der Mauer gemeinsam zu feiern. Haben Sie ihm schon geantwortet?
Noch haben wir auf all diese Grüße und Einladungen nicht reagiert. Jedenfalls schätze ich die Einladung nach Berlin sehr und würde ich mich sehr gern daran beteiligen.
Haben Sie Vorbilder? Menschen, an die Sie denken?
Ich würde eher von Inspirationsquellen sprechen. In manchen Bereichen schätze ich zum Beispiel Václav Havel sehr. Aber auch Mahatma Gandhi war eine inspirierende Persönlichkeit.
Das Gespräch führte Aureliusz M. Pędziwol