Österreich: Kurz kommt wohl zurück
29. September 2019In Hinterhornbach im Bundesland Tirol ist die Wahl schnell vorbei. Nur 90 Minuten ist das Wahllokal im Gemeindesaal am Sonntagmorgen geöffnet gewesen. Dann geht es zum Frühschoppen in den Gasthof "Adler". Die kurze Öffnungszeit reicht auch, denn im Bergdorf Hinterhornbach leben nur 70 Wahlberechtigte. Und das Ergebnis steht auch schon fest. Bei der vergangenen Wahl im Jahr 2017 heimste die konservative ÖVP hier 83 Prozent der Stimmen ein - landesweiter Rekord.
Das wird auch diesmal nicht großartig anders sein, glaubt Bürgermeister Martin Kärle. In ganz Österreich liegt die Partei von Ex-Kanzler Sebastian Kurz in den Umfragen uneinholbar mit 34 Prozent vorne. Der erste 33 Jahre alte Chef der von ihm so genannten "neuen Volkspartei" wird ziemlich sicher auch der nächste Bundeskanzler sein.
Treue FPÖ-Wählerin
Davon geht auch Eva Szendi aus, auch wenn sie den smarten Politprofi nicht mag. Sie hat in Wien in einem Wahllokal gleich hinter dem prächtigen Rathaus ihre Stimme für die rechtspopulistische FPÖ abgegeben. "Ich verstehe das ganze Affentheater nicht", sagt Eva Szendi. Die Neuwahl ist ihrer Ansicht nach reine Geldverschwendung, da ja sowieso feststehe, dass der Kurz wieder Kanzler werde.
Dass die FPÖ mit ihrem Skandal um versuchte Bestechung im Mai die nationalkonservative Koalition von ÖVP (Türkis) und FPÖ (Blau) zum Einsturz brachte, hat ihre Wahlentscheidung nicht beeinflusst. "Jeder macht mal einen Fehler", sagt sie und zuckt die Schultern. "Außerdem war das ja nur der Strache!" Gemeint ist der ehemalige Parteichef Heinz-Christian Strache, der auf Ibizia 2017 einer vermeintlichen Russin politische Dienste gegen Geld anbot. Das heimlich gefilmte Video dieser Aktion wurde im Mai 2019 veröffentlicht.
"Ich habe Angst, dass wieder mehr Flüchtlinge kommen", sagt Eva Szendi. Deshalb halte sie zur FPÖ, die gerade wieder von einem neuen Skandal um Spesengelder durchgeschüttelt wird. Der neue Parteichef Norbert Hofer ließ sich eine Mauer rund um sein Grundstück im Burgenland aus der FPÖ-Kasse finanzieren. Und Ex-Chef Strache soll 'zig Tausende Euros veruntreut haben.
Viele Farben für mögliche Koalitionen
Nach einer kurzen Pause kehrt also vermutlich Sebastian Kurz ins Bundeskanzleramt am Ballhausplatz in Wien zurück. Nur: Mit welcher Koalition diesmal? Kurz selbst hat sich im Wahlkampf nicht festgelegt, hält sogar eine Minderheitsregierung für denkbar.
Die FPÖ buhlt geradezu um eine Neuauflage der rechten Ehe. FPÖ-Hardliner Herbert Kickel verspricht auf seinen Plakaten ironisch, dass die FPÖ verhindern werde, dass "Kurz nach links kippt".
Christoph Zechmeister hat an diesem Vormittag in Wien seine Stimme für die Sozialdemokraten, die SPÖ, abgegeben. Er weiß aber auch, dass die SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner auf keinen Fall Sebastian Kurz schlagen wird. Die SPÖ liegt bei 22 Prozent in den Umfragen und ringt mit der FPÖ um den zweiten Platz. "Ich wünsche mir jede Koalition außer Türkis und Blau", sagt Christoph Zechmeister. Das wäre die Neuauflage der rechten Allianz. "Ich denke, Türkis und Grün und Rot wäre gut, also eine Verbindung zwischen Konservativen, Grünen und SPÖ."
Die Koalitionsfrage sei sehr bunt und unübersichtlich, meint Zechmeister. Die Grünen kommen mit 12 Prozent zwar sicher wieder in den Nationalrat, das Parlament, sie sind aber programmatisch sehr weit von der Kurz-Partei ÖVP entfernt. "Vielleicht wird es auch Türkis, Rot und Pink?", fragt sich der junge Wähler. Pink steht für die liberale Neos-Partei.
Endergebnis erst am Montag
Um 17 Uhr schließen die letzten Wahllokale in Wien. Auf dem Land werden die Urnen bereits vielfach mittags versiegelt. Rund 16 Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten in Österreich stimmen per Briefwahl ab. Die Ergebnisse der Briefwahlstimmen liegen erst am Montag vor. Sollte es knapp werden, können sich die vorläufigen Resultate des Wahlabends durchaus noch verändern, mutmaßen die Wahlforscher.
Koalitionsgespräche will der mutmaßliche Wahlsieger Sebastian Kurz bereits in dieser Woche beginnen. Am politischen Kurs der Alpenrepublik wird sich voraussichtlich wenig ändern. In der Flüchtlings- und Migrationspolitik bleibt Kurz restriktiv. Eine Verteilungsquote in der EU lehnt er ab. Er tritt für die zügige Aufnahme der westlichen Balkanstaaten in die EU ein, will die Türkei aber draußen halten. Sollte die FPÖ nicht an der Regierung beteiligt werden, wäre das nach Italien und Griechenland der dritte Fall in der EU, in dem eine rechtspopulistische Partei in einer Koalition scheitert.