Fass ohne Boden
16. Februar 2010Griechenland droht die Staatspleite: Aufgrund horrender Schulden und getürkter Statistiken hat das Land nun auch das Vertrauen der Finanzmärkte verloren: Bei ausländischen Banken steht es mit über 300 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Das entspricht 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Neuverschuldung des Landes liegt bei über 12,7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Der griechische Professor für Makroökonomie an der Universität Leipzig, Spiros Paraskewopoulos, sieht die Wurzeln des Problems in den Sünden der Vergangenheit. "Die Wachstums- und Entwicklungspolitik der letzten 30 Jahre basierte auf Konsum. Das Dumme daran ist, wenn Konsum durch Kredite finanziert wird, müssen diese Kredite zurückgezahlt werden." Aber es seien keine Investitionen getätigt worden, um die Kredite zurück zahlen zu können. "Jetzt stehen wir da: Griechenland hat über seine Verhältnisse gelebt, sowohl der Staat als auch die Bürger", so der Wirtschaftsexperte.
Fehler von Regierenden ignoriert
Auch in den 1980er- und 1990er-Jahren war Griechenland mit Zahlungsschwierigkeiten konfrontiert. Damals suchten die sozialistischen Regierungen Zuflucht in der Abwertung der griechischen Drachme. Dadurch beschränkten sie die Importe und steigerten die Exporte. Diese Politik sei durch den Beitritt in die Währungsunion passé gewesen, sagt Wirtschaftsexperte Babis Papadimitriou. "Die politischen Eliten und die Regierungen Griechenlands der letzten Jahre haben nicht begriffen, was die Mitgliedschaft in einer Währungsunion bedeutet." Es sei selbstverständlich, dass man seine Defizite verringern müsse, wenn man seine Währung mit anderen Ländern teile. "Aber dieses Prinzip haben die Regierenden ignoriert. So wurden nicht die notwendigen Reformen umgesetzt", meint Papadimitriou.
Der Staat wirtschaftete ineffizient, bei steigenden Kosten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wurde weiter geschwächt. Als die Weltwirtschaftskrise zuschlug, wurden diese strukturellen Schwächen Griechenlands zum Albtraum. Papadimitriou glaubt nicht, dass die Griechen sich mit gefälschten Statistiken den Beitritt in die Eurozone erschlichen haben. "Griechenland erfüllte die nominellen, aber nicht die realen Kriterien für den Beitritt", so der Experte. Athen habe versäumt, seine Wirtschaft an einen äußerst wettbewerbsfähigen Raum anzupassen. "Griechische Exportgüter sind teuer und fanden in den letzten Jahren kaum Absatzmärkte, obwohl das internationale Wirtschaftsklima günstig war."
Kürzen - so radikal wie möglich
Der Staat müsse bei seinen Dienstleistungen und Personalkosten sparen, meint Professor Paraskewopoulos. Sinnvolle Einschnitte wären die Abschaffung von Steuerprivilegien, ein Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und Gehaltskürzungen bei Staatsbediensteten. Außerdem müssen Steuerhinterziehung und Korruption konsequent bekämpft werden.
Paraskewopoulos schätzt, dass dem griechischen Staat dadurch jedes Jahr 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen entgehen. 1600 Euro Schmiergeld zahle eine griechische Durchschnittsfamilie pro Jahr - denn ohne "Fakelaki" - dem so genannten kleinen Umschlag mit Geld - gehe gar nichts. "Wir haben eine sehr niedrige Produktivität im öffentlichen Sektor. Die Parteien, die abwechselnd regiert haben, haben ihre Klientel damit bedient, und jetzt haben wir einen aufgeblähten Staatsapparat, der unwahrscheinlich viel kostet", kritisiert Paraskewopoulos.
Nun wehren sich die Betroffenen: Der öffentliche Dienst wird bestreikt, empörte Bauern blockierten Autobahnen und Grenzübergänge. Dennoch - ohne Abschaffung der Subventionen und konsequente Privatisierungsprogramme sei die Sanierung der Staatsfinanzen unmöglich, betont auch Babis Papadimitriou. "Der Staat muss schlanker werden. Ein großer Anteil seiner Dienste und Tätigkeiten samt Arbeitsplätzen muss in den privaten Sektor umgeleitet werden. Öffentliche Dienste, die mit dem privaten Sektor konkurrieren, sollen abgeschafft werden. Das Sparprogramm muss radikal sein. Kleine Einsparungen reichen nicht aus."
Nicht nur sparen, auch schuften
Parallel zu dem Sparprogramm dürften die Griechen nicht das wirtschaftliche Wachstum vernachlässigen, sagt Spiros Paraskewopoulos. Denn wenn die Wirtschaft stagniert, verringern sich die Staatseinnahmen. Handelsschiffahrt, Tourismus und Landwirtschaft sind die produktivsten Sektoren der griechischen Ökonomie. "Griechenland hat sehr fähige Menschen, die sehr gut ausgebildet sind", meint Paraskewopoulos. Auch im Dienstleistungssektor hätte Griechenland ein großes Potential.
Die größte Herausforderung, da sind sich beide Ökonomen einig, bestehe darin, das Vertrauen wieder zu gewinnen. Und dies wird den Griechen nur gelingen, wenn sie ihr Sparprogramm seriös umsetzen.
Autor: Stamatis Assimenios
Redaktion: Nicole Scherschun