Überraschungen in der neuen Regierung
3. Dezember 2014Den Krieg in der Ostukraine beenden und die Korruption eindämmen. Das seien die wichtigsten Aufgaben der neuen Koalitionsregierung in Kiew, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bei der ersten Kabinettssitzung am Mittwoch (03.12.2014). Der 40-Jährige, der seit dem Machtwechsel Ende Februar die Regierung anführt, behielt sein Amt. Das neue Kabinett wurde am Vortag vom Parlament bestätigt. Rund fünf Wochen nach der vorgezogenen Parlamentswahl hat die Ukraine damit eine neue Regierung. Es ist bereits die dritte im Krisenjahr 2014.
Alle fünf prowestlichen Parteien, die am vergangenen Freitag eine Koalition gebildet hatten, sind in der Regierung vertreten. Auf den Schlüsselposten gibt es wenig Neues. Geblieben sind neben dem Regierungschef der Außenminister und die Minister für Verteidigung, Inneres und Justiz.
Keine Krim- und Europa-Ministerien
Doch es gibt auch Überraschungen. So haben manche Beobachter mit der Schaffung eines Ministeriums für Angelegenheiten der von Russland annektierten Halbinsel Krim gerechnet. Präsident Petro Poroschenko hatte ein solches Ministerium schon vor Monaten ins Gespräch gebracht. Doch nun scheint das Schicksal der Krim für Kiew in den Hintergrund getreten zu sein.
Auch ein Ministerium für europäische Integration wird es wohl zunächst nicht geben. Dabei stand der Wunsch nach einer Annäherung an die Europäische Union im Mittelpunkt der Proteste, die vor rund einem Jahr in Kiew begonnen hatten und in deren Folge die jetzige Staatsführung an die Macht gekommen war. Noch vor einigen Wochen hatte Jazenjuk verkündet, einer der Vizeregierungschefs solle sich um die Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens kümmern. Dabei schlug er vor, dass ein bekannter europäischer Politiker den Posten übernimmt. Offenbar wurde kein passender Kandidat gefunden.
Einladung an ausländische Experten
Trotzdem gibt es erstmals in der jüngsten Geschichte der Ukraine in der Regierung drei Minister, die aus dem Ausland stammen. Die frühere US-Diplomatin und spätere Unternehmerin Natalia Jaresko wurde Finanzministerin, der litauische Geschäftsmann Ajwaras Abromawitschus kümmert sich um das Wirtschaftsministerium und der ehemalige georgische Gesundheitsminister Alexander Kwitaschwili übernahm das entsprechende Ressort in der Ukraine. Die Amerikanerin und der Litauer leben seit Jahren in der Ukraine, waren aber nur in Fachkreisen bekannt.
Zusammen mit dem georgischen Kollegen wurden sie wenige Stunden vor der Abstimmung im Parlament vom Präsidenten eingebürgert. Damit war der formale Weg für ihre Ernennung frei und die Regierungsbildung konnte abgeschlossen werden. Sowohl der Präsident als auch der Regierungschef begründeten die Einladung ausländischer Fachleute mit dem Wunsch, radikale Reformen durchzusetzen.
Als Außenstehende sollen sie auch gegen die in der Ukraine grassierende Korruption immun sein, so die Hoffnung. "Ausländer werden sich gegen die Korruption wehren, um ihren guten Ruf zu schützen", sagte der Kiewer Politik-Experte Hlib Kanewsky im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sein Kollege Juri Romanenko ist skeptischer. "Es sind eher Aufpasser für die Finanzflüsse aus den USA, der EU und vom IWF", so Romanenko. Der Westen habe kein Vertrauen mehr in die ukrainischen Politiker.
Zunehmende Wirtschaftsprobleme
Wegen des wirtschaftlichen Drucks hatten es Poroschenko und Jazenjuk bei der Regierungsbildung besonders eilig. Die Ukraine steht seit Monaten am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Der Haushalt 2015 ist noch nicht verabschiedet, in der Staatskasse fehlen Milliarden.
Westliche Regierungen und Organisationen wie der Internationale Währungsfond (IWF) wollten mit weiteren Hilfen bis zur Bildung einer neuen Regierung in Kiew warten. Schon gleich am Mittwoch bat Jazenjuk seine neue Finanzministerin Jaresko, eine IWF-Delegation nach Kiew einzuladen.
Ein "Propaganda-Ministerium" in der Ukraine?
Hohe Wellen schlug in der Ukraine nicht nur die Berufung von Ausländern in Regierungsämter, sondern auch die Schaffung eines neuen Informationsministeriums unter Leitung von Juri Stez. Er gilt als enger Vertrauter des Präsidenten und war früher Manager von Poroschenkos Nachrichtensender "Kanal 5". Stez begründete die Schaffung des Ministeriums mit der Notwendigkeit, der Propaganda russischer Medien etwas entgegenzusetzen.
Doch viele Journalisten in der Ukraine halten dies für einen falschen Weg. Sie sprechen bereits von einem ukrainischen "Propaganda-Ministerium". Auch die internationale Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisierte am Mittwoch die Schaffung eines solchen Ministeriums. Es sei "nicht die Aufgabe der Regierung, Informationen zu kontrollieren", warnte der ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in einer Presseerklärung in Berlin.