220.000 Kinder-Betreuungsplätze fehlen
6. November 2012"Der Zuwachs an Kinderbetreuungsplätzen müsste innerhalb von 18 Monaten stärker ausfallen als in den letzten vier Jahren insgesamt", sagte Karl Müller, Direktor beim Statistischen Bundesamt, am Dienstag in Berlin. Derzeit fehlten noch mehr als 220.000 Plätze für unter Dreijährige. "Das sind so viele Plätze, wie zwischen 2008 und 2012 geschaffen wurden."
Zum Beginn des neuen Kindergartenjahres am 1. August 2013 sollte es nach dem Willen von Bund, Ländern und Kommunen 780.000 Betreuungsplätze in Deutschland geben. Dies entspräche einer Betreuungsquote von 39 Prozent. Zum Stichtag 1. März 2012 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jedoch lediglich 558.000 Plätze. Das sind erst 27,6 Prozent.
Starkes West-Ost-Gefälle
Große Unterschiede gibt es dabei zwischen Ost- und Westdeutschland. In den neuen Bundesländern liegt die Betreuungsquote weit über der politischen Zielmarke. Spitzenreiter ist Sachsen-Anhalt mit 57,5 Prozent. Von den westdeutschen Ländern hat es noch keines die Ausbauziele geschafft.
Am schlechtesten sieht es bei der Betreuung für Kleinkinder derzeit mit 18,1 Prozent in Nordrhein-Westfalen aus. Bliebe das Ausbautempo unverändert, würde die Zielmarke in Westdeutschland erst im Jahr 2018 erreicht werden, erklärte Karl Müller.
Die Betreuungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund - immerhin mehr als ein Viertel der Kinder - liegt mit nur 16 Prozent nochmals unter dem Bundesdurchschnitt.
Seit dem sogenannten Krippengipfel im Jahr 2007, bei dem die Ausbauziele von der Großen Koalition aus CDU und SPD festgelegt wurden, stieg die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen um 28 Prozent, das sind rund 100.000 Personen. Nur vier Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich sind übrigens Männer. Die Betreuungsquote lag im Jahr 2007 bundesweit bei 15,5 Prozent.
Gute Nachrichten haben die Statistiker, was die Betreuungsplätze für Kinder zwischen drei und fünf Jahren betrifft. "Hier kann man von einer annähernden Vollversorgung sprechen", sagte Karl Müller. Die Quote liegt bei 93,4 Prozent.
Garantie bleibt bestehen
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bewertete die Zahlen der obersten deutschen Statistikbehörde als "überraschend niedrig und ernüchternd". Die Zahlen deckten sich nicht mit den Angaben der Länder. Schröder appellierte an die Länder, Klarheit darüber zu schaffen, wie viele Plätze vor Ort fehlten und wie die noch fehlenden Plätze geschaffen werden könnten.
Noch im Mai hatte Schröders Ministerium eine Lücke von nur 130.000 fehlenden Betreuungsplätzen geschätzt. Daraufhin hatte die Familienministerin den Ländern und Kommunen weitere finanzielle Hilfen angeboten. Seit 2007 hat der Bund rund vier Milliarden für den Kita-Ausbau ausgegeben.
"Der Kita-Ausbau ist zu schaffen, wenn sich alle Ebenen anstrengen und zu ihren Zusagen stehen", betonte Schröder. Am Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung werde nicht gerüttelt. Länder und Kommunen hätten seit 2007 genug Zeit gehabt, den Bedarf zu ermitteln und sich um den Bau zu kümmern. "Wer jetzt überrascht ist vom Rechtsanspruch, der hat schlicht fünf Jahre geschlafen."