40 Außenminister, viele Konflikte
1. September 2016Wichtige internationale Gipfeltreffen haben es an sich, dass der Zeitplan eng und die Tagesordnung übervoll ist. Aus dieser Routine habe er ausbrechen wollen, erklärte Frank-Walter Steinmeier. Und so nutzte der Bundesaußenminister die Gunst des deutschen OSZE-Vorsitzes, um vor dem offiziellen Ministerrat im Dezember in Hamburg noch zu einem informellen Treffen einzuladen.
Und zwar nach Potsdam, das während des Kalten Krieges eine Nahtstelle zwischen Ost und West und wiederholt Schauplatz wichtiger internationaler Konferenzen war. An diesem symbolträchtigen Ort hatten die Top-Diplomaten aus 40 Ländern mehr Zeit als sonst üblich für den offenen Meinungsaustausch, was ganz im Sinne des Gastgebers war. Auch ein Gang über die Glienicker Brücke stand auf dem Programm, auf der Ost und West während des Kalten Krieges Spione austauschten.
Die OSZE galt als überholt, nun ist sie wieder wichtig
Beschlüsse wurden bei dem eintägigen Treffen also nicht gefasst, aber die Mitglieder konnten sich der wachsenden Bedeutung der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" vergewissern: "Die OSZE ist so relevant, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr war", betonte Steinmeier.
Sie sei die einzige Institution in Europa, in der derzeit ein Austausch zwischen Russland und dem Westen stattfinde. Angesichts der Krim-Annexion und der Kämpfe in der Ostukraine zwar ein kontroverser, aber doch ein Austausch. Auch der neue britische Außenminister Boris Johnson, der vielleicht prominenteste Gast in Potsdam, sparte nicht mit Lob über die "fantastische Organisation", in der sich alle europäischen, neun zentralasiatische Staaten und die USA und Kanada zusammengeschlossen haben.
Derzeit führt die OSZE 17 "Feldmissionen", darunter die schwierige Sonderbeobachtermission in den umkämpften Gebieten der Ostukraine. Die Entwicklungen dort machen dem deutschen Außenminister Sorgen: In den letzten zwei Monaten sei der Waffenstillstand entlang der Konfrontationslinie immer öfter verletzt worden, es habe wieder Tote gegeben.
Angriffe auf OSZE-Beobachter in der Ukraine
Durch Vermittlung der OSZE sei eine Waffenruhe zum Schuljahresbeginn in der Ukraine am heutigen 1. September vereinbart worden, der Anlass zur Hoffnung gebe. Aber, so Steinmeier: "Das reicht nicht." Nicht nur der vereinbarte Waffenstillstand müsse respektiert werden, sondern auch die OSZE und ihre Beobachter selbst. In den vergangenen Monaten waren Beobachter wiederholt bedroht oder sogar angegriffen worden.
Insgesamt zeigte Steinmeier sich unzufrieden mit der Umsetzung des Minsker Abkommens. Aber solange alle Konfliktparteien sich darauf beriefen, müsse versucht werden, mithilfe dieses Fahrplans Schritt für Schritt voranzukommen. Manchmal seien das nur Millimeter.
Warnung vor einem neuem Wettrüsten
Gesucht wird nun nach Wegen, zwischen Russland und dem Westen wieder Vertrauen zu schaffen - ähnlich wie im Kalten Krieg, als die OSZE-Vorgänger-Organisation KSZE dabei eine zentrale Rolle spielte. "Es gibt Felder, die wir im Augenblick schlicht und einfach nicht bedienen", sagte der Bundesaußenminister. Dazu gehöre die Rüstungskontrolle.
Derzeit stehen die Zeichen in Russland und vielen (ost)europäischen Ländern auf Aufrüstung. Steinmeier will nicht nur einem neuen Wettrüsten in Europa entgegenwirken, sondern sieht neue Gespräche über die Rüstungskontrolle auch als Mittel zum Zweck der Annäherung. Auch wenn diesbezüglich in Potsdam nichts beschlossen wurde, so sei die Resonanz auf seinen Vorschlag doch ermutigend gewesen, sagte Steinmeier. Die OSZE kündigte unterdessen an, Wahlbeobachter nicht nur zu den russischen Parlamentswahlen Mitte September, sondern auch zu den US-Präsidentschaftswahlen im November zu entsenden.